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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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Pflicht und Langeweile. Ich habe Jewdokija nie geliebt.«
    »Nie?« bohrte ich nach.
    »Nein. Es war eine Ehe aus Pflicht! Jewdokija war so verstaubt! Ihr Geist war so voller Motten wie ihre altrussischen Gewänder! Jedesmal, wenn ich aus der deutschen Vorstadt nach Hause kam, keifte sie nur, anstatt mich mit einem Lächeln zu begrüßen.«
    Ich mußte lachen. »Wenn du je zu mir von anderen Weiber so nach Hause kommst, gebe ich dir die Peitsche!«
    Er fiel in mein Lachen ein, wurde dann aber ernst. »Sie war meine Zariza. Es war ihre gottverdammte Pflicht, zu lächeln. Das und mir gesunde Söhne zu gebären – ich habe nichts anderes von ihr erwartet.«
    Darauf konnte ich nichts sagen.
    Der Sieg über die Schweden in der ersten echten Seeschlacht des Großen Nordkrieges bei Nyenschantz versetzte Peter in Hochstimmung: Er hatte sich als Kapitän Peter Michailow tapfer geschlagen und zwei schwedische Fregatten gekapert. General Boris Petrowitsch Scheremetjew und Graf Golowin zeichneten ihn mit dem Sankt-Andreas-Orden aus. Peter war darauf so stolz wie ein Bube und heftete ihn sich ans Nachthemd, ehe er zu mir unter die Decke schlüpfte. Auch Menschikow, als Generalgouverneur von Schlüsselburg, bekam von Golowin den Orden an die Brust geheftet. Der Sieg war wieder Anlaß zum Feiern: Doch selbst seinen engsten Freunden wurde es vor seiner Ausgelassenheit angst und bange. So sandte Peter Soldaten aus, die seine Gäste einsammelten, oder klopfte gar persönlich bei ihnen an. Als Peter Andrejewitsch sich bei einem Abendessen in trunkener Verzweiflung hinter einem der Vorhänge der Schlüsselburg versteckte, zog Peter ihn bei den Haaren hervor und flößte ihm persönlich ein doppeltes Maß Branntwein ein. Tolstoi schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen: Aber da ich ihm zu Peters Vergnügen die Nase zuhielt, blieb ihm nicht viel anderes übrig, als kräftig zu schlucken.
    Am folgenden Tag wurde er als Gesandter an die Goldene Pforte in Konstantinopel geschickt. Er sah so hoch zu Pferd reichlich grün im Gesicht aus.
     
    Der Zar war rastlos in jenen Tagen: Sie konnten für ihn nicht genug Stunden für all seine Pflichten haben. Im Augenblick der Schlacht mußte alles andere ruhen, und so griff er in den Wochen danach seine Angelegenheiten mit doppeltem Fleiß an. Ich sah erstaunt und still zu, wie zügig ein Ukas nach dem anderen abgezeichnet wurde. Makarow überflog die Papiere noch einmal und lächelte über die immer wiederkehrenden Ausdrücke »sofort«, »jetzt«, »ohne Verzug«, »gleich«! Peter zuckte nur die Schultern und meinte dann: »Es gibt nur eines, was genau wie der Tod nicht rückgängig gemacht werden kann: vergeudete Zeit.«
    So riß er sich im Sommer wie im Winter um vier Uhr morgens aus dem Schlaf und ging sein Tagwerk an. Ich schlummerte nach einer schläfrigen Umarmung wieder ein: Meine Hand legte ich auf meinen Bauch, in dem unser Kind heranwuchs. Kaum zwei Wochen nach der Schlacht bei Nyenschantz standen die ersten Holzhütten von St. Petersburg, unweit der nun leeren Häuser der schwedischen Offiziere der ehemaligen Garnison. Peter wies sie seinen Offizieren und den Verwundeten zu. Einige Siedlungen kauerten sich in die marschigen Ebenen um die Newa. Ihre Einwohner hatten für die Schweden die Äcker bestellt oder auch in ihren Häusern gearbeitet. Ich sah in die Gesichter der verdreckten und verlausten Kinder, denen der Rotz aus den Nasen über ihre leeren Mienen lief. Vor Staunen über all das Tun und Schaffen in ihrem von Mücken verseuchten Sumpfland bekamen sie den Mund nicht zu. Aber: Ob Russe oder Schwede, das machte für sie kaum einen Unterschied.
     
    Konnten wir ahnen, was die Gründung von Sankt Petersburg für Peter bedeutete? Niemand glaubte wirklich an die Stadt, als Peter die ersten Holzbalken für die Peter-und-Pauls-Festung aufeinanderlegen ließ. Ihn jedoch beherrschte von da an nur ein Gedanke: Sankt Petersburg war unter allen Umständen zu halten! Niemals, niemals sollte seine Stadt wieder von Rußland getrennt sein. Koste es sein Reich, koste es sein Leben, koste es, was es wolle.
    »Weshalb gründest du hier eine neue Stadt?« fragte ich ihn am frühen Morgen nach der Gründung der Peter-und-Pauls-Festung auf Lust Eland. Ich lag müde in seinem Arm, doch ein leichter Wodkarausch und die vielen Bilder in unseren Köpfen vertrieben einen zweiten, erfrischenden Schlaf.
    Er antwortete lange nichts, und ich zählte für mich das Knacken der Scheite im Kamin der von

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