Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
Vom Netzwerk:
Peter gebauten Hütte. Der Feuerschein warf ein weiches Licht auf meine nackte Haut, die mit der Schwangerschaft zart und rosig geworden war. Ich fühlte mich gesund und stark wie noch nie in meinem Leben.
    Einen Augenblick dachte ich, er sei bereits eingeschlafen. »Hast du nicht schon genug Städte?« hakte ich nach. Peter seufzte nun. »Natürlich. Aber hat Rußland nicht von allem schon genug? Ich denke, daß Rußland erst sehr viel später verstehen wird, weshalb ich dies für mein Vaterland tue. Moskau ist alt und mit dem Staub und den Spinnweben einer toten Vergangenheit bedeckt. Moskau sind die Popen, die Bojaren, die Unwissenheit und – der Osten, Martha.«
    »Darja Arsenjewa hat das auch gesagt!« unterbrach ich ihn. Er lachte auf.
    »Darja ist selber eine halbe Tatarin! Sie hat in Moskau nicht erlebt, was ich erlebt habe. Ich hasse den Kreml, Martha!« Bei diesen Worten begann sein Gesicht zu zucken, so daß ich ihn weich in die Arme schloß. Er beruhigte sich augenblicklich: »Ich habe beschlossen, dort nie wieder zu schlafen. Wenn ich in Moskau sein muß, so werde ich versuchen, in Preobraschenskoje zu wohnen, wo ich mit meiner Mutter und Natalja aufgewachsen bin.«
    Er überlegte kurz, ehe er weitersprach, und streichelte dabei zerstreut meine Brust. »Mein Rußland braucht ein neues Wahrzeichen! Ich habe die Stelle für meine Stadt nicht umsonst hier gewählt. Ich habe sie hart erkämpft, und meine Untertanen werden verstehen, daß ich ihnen hier am Wasser ein neues Jerusalem biete. Eine neue Hochburg für einen neuen, starken Geist.« Er schien zufrieden mit seinen Worten und lächelte in die zarten Flammen des erlöschenden Feuers.
    »Aber deshalb eine neue Stadt zu bauen? Wann willst du das tun, und mit welchen Mitteln, jetzt, so mitten im Krieg?«
    »Man findet Zeit und Mittel für das, was sein muß, Martha. Zum Beispiel für die Liebe!« lachte er dann und schnitt meine Fragen dadurch ab, daß er sich schwer auf mich rollte.
     
    Das Leben im Lager gefiel mir: Ich hatte dort Anteil an Peters täglichem Leben. Natürlich war ich nicht das einzige Mädchen, das sein Bett dort teilte. Aber ich war es doch, mit der er am meisten trank, feierte und lachte. Ich war es, die, wie er sagte, sein Herz wärmte. Wir lachten über dieselben, einfachen Dinge, und er wollte sich vor Heiterkeit nicht beruhigen, wenn ich seinen Stuhl mit Harz beschmieren ließ oder seine Stiefel halbhoch mit Wasser füllte. Ich war es, die ihn fest, so fest hielt, wenn sein wahnsinniger Zorn und seine blutigen Erinnerungen ihn überkamen. Die anderen Frauen blieben nur so lange in seinem Bett, bis er seine Lust an ihnen befriedigt hatte. Er nahm diese Mädchen so nebensächlich, wie er am Morgen kascha aß oder vom Pferd stieg, um sein Wasser gegen einen Baum abzuschlagen. Nur in meinem Arm schlief der Zar aller Russen tief und ohne böse Träume. Am Morgen, wenn wir gemeinsam unseren Haferbrei löffelten und die Fladen in kwas oder tschai tauchten, und er mit seiner Hand die Tritte seines Kindes in meinem Bauch spürte, konnte mir kein anderes Mädchen gefährlich werden.
     
    Die Tage waren bequem: Ich saß in der Sonne und nähte Kinderkleidchen, schlief soviel, wie mein Körper es mir befahl, oder gab meinen in jenen Tagen unmäßigen Eßgelüsten nach. Ständig mußte ich entweder an frischen Honigwaben saugen oder ließ sauer eingelegte Gurken aus der Vorratskammer von Schlüsselburg kommen. Meine größte Lust galt jedoch den baltischen Heringen. Ich naschte die in Rahm, mit Äpfeln und Zwiebeln eingelegten Fische pfundweise! Um mir etwas Bewegung zu verschaffen und meinen Kopf nach den langen Nächten auszulüften, ging ich oft selber mit Peters Koch Johann Felten, in die kleine Ladenstadt nahe unserer jungen Stadt. Der Markt bestand aus einer Reihe von zerlumpten Buden, vor denen sich eine farbenfrohe Menge von Käufern, Musikanten, Bauern, Dirnen, Taschendieben und fahrenden Gauklern und Medizinmännern herumtrieb.
     
    An jenem Morgen im Juni, an dem wir wieder zum Markt ritten, war Felten schlechter Laune: Der Zar hatte es ihm am Vorabend mit der dubina gegeben, weil er ein Rad Limburger Käse nicht sorgfältig genug versteckt hatte. Als Peter gegen Mitternacht eine Scheibe davon wollte, waren von dem Käse nur noch Krümel übrig, ohne daß die Übeltäter gefaßt werden konnten.
    Es hatte seit Tagen nicht geregnet, und das helle Sonnenlicht badete auf den roten Weiten, die sich bis zur Bucht von Finnland

Weitere Kostenlose Bücher