Die Zarin (German Edition)
war eingekesselt!
Doch ich konnte nicht anders!
»Weibsvolk!« sagte er nur wegwerfend und vertiefte sich wieder in seine Briefe, die er an einem einigermaßen friedlichen Abend hastig in alle Himmelsrichtungen schrieb. Mit diesem einen Wort vergaß er meine Anwesenheit sofort, das konnte ich sehen. So leicht wollte ich mich nicht geschlagen geben.
»Was meinst du damit? Muß eine Frau einem Mann ihre besten Jahre opfern und dann zusehen, wie er mit einem jüngeren und gebärfähigeren Weib auf und davon geht?«
Zu meinem Erstaunen nickte Peter. »Natürlich. Was denkst du denn? Darja mit ihrem Ruf, ich bitte dich! Ich selbst habe Menschikow auf die kleine Saltykowa hingewiesen …, ein saftiges kleines Stück Fleisch, aber grauslich wohlbehütet! Da muß der alte Rabauke sich schon den Ring an den Finger stecken lassen! Aber viele gesunde Kinder kann sie ihm dann gebären. Und ich will Pate stehen.«
Er kicherte, hörte aber augenblicklich auf zu lachen, als das Kissen, das ich zornig nach ihm warf, ihn nur um Haaresbreite verfehlte.
»Was fällt dir ein, Weib!« herrschte er mich an. Ich wich jedoch keinen Schritt vor seinem Zorn zurück. Denn: Kämpfte ich hier wirklich nur für Darja?
Peter wurde wieder ernst. »Es stimmt, ich habe Menschikow nie zu einer achtbaren Heirat geraten, denn ich will nicht, daß er zu ehrgeizig und gierig wird. Nun aber denke ich anders. Alexander Danilowitsch hat sich in der heftigsten Schlacht durch Tapferkeit und mit seinem Leben bewährt. Ich kann ihn nun ohne Zweifel vor allen anderen auszeichnen. Du siehst, meine Liebe ist nicht ungerecht. Wenn die Lage sich gebessert hat, werde ich ihn zu einem Prinzen von Rußland ernennen. Dazu braucht er die rechte Frau – eben die saftige kleine Saltykowa!«
Ich schnappte nach Luft. Der Titel eines Prinzen von Rußland war noch nie an jemanden außerhalb der Zarenfamilie vergeben worden – selbst die Söhne eines Zaren hatten ihn sich zu verdienen! Menschikow hatte bereits im Jahr zuvor den Titel eines Prinzen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation erhalten.
Ich fuhr Peter an: »So, ein saftiges Stück Fleisch ist die kleine Saltykowa? Ich will dir was sagen – laß dir das Wasser im Mund zusammenlaufen! Solange Menschikow nicht mit Darja unter die Brautkrone tritt, sollst du nicht mehr in meinem Bett willkommen sein! Er soll sein Wort halten! Sein verfluchtes Wort!«
Ich zitterte vor Zorn bei diesen Worten. So gefährlich sie für mich selber waren, ich sprach sie in vollem Ernst! Ich setzte alles aufs Spiel: Für Darja, für Jekaterina und auch für mich. Peter schrie mich nun so an, daß die Adern auf seiner Stirn hervortraten und seine Augen sich fast ins Weiße verdrehten. »Es ist mein Bett, nicht deines, Martha! Du hast nichts auf dieser Welt! Du bist arm wie deine abgebrannte Heimat.«
Ich sah ihn stumm an. Wir hatten uns in den Jahren unseres Beisammenseins noch nie gestritten. Nie war ein lautes Wort zwischen uns gefallen. Und nun dies! Jekaterina zu unseren Füßen begann zu weinen. Ich bückte mich und herzte sie in meinem Arm. Ihr Nacken duftete nach Honig und Staub. Peter starrte seine kleine Tochter an, so, als hätte er sie nie zuvor gesehen. Dann antwortete ich sehr ruhig. »Doch, Peter. Ich habe etwas. Nämlich Stolz und meine Freiheit. Wenn du so über Darja denkst, was hältst du dann von mir? Wenn Menschikow sein Wort nicht hält, was wird dann mit mir geschehen? Ich gehe, ehe ich davongejagt werde.«
Mit diesen Worten drehte ich mich um und verließ den Raum.
»Und was willst du tun? Wovon willst du leben?« hörte ich ihn noch hinter mir her rufen. Er bekam keine Antwort von mir. »Martha! Bleib’ hier! Bleib’! Das ist ein Befehl!« schrie er nun. Ich schloß die Tür, ohne ihm eine Antwort zu geben.
Erst nach einigen Schritten wurden mir im Gang die Knie weich, und ich krümmte mich auf meinen Knien zusammen. Jekaterina fuhr verstört mit ihren kleinen Händen über mein Gesicht und murmelte die halben Worte, die sie bereits sagen konnte. Drinnen in Peters Arbeitsstube hörte ich Holz splittern. Offensichtlich zertrümmerte er vor Zorn den Stuhl, auf dem er gesessen hatte, und schrie dazu vor Wut. Meine Hände zitterten, als ich Jekaterina aufnahm und in meine Zimmer ging, um meine Habseligkeiten zu packen. Es stimmte ja. Was wollte ich tun? Wovon wollte ich leben, und wohin wollte ich mich wenden? Ich war jedoch fest entschlossen: Ich konnte immerhin den Schmuck und die teuren Kleider,
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