Die Zarin (German Edition)
die Peter mir geschenkt hatte, verkaufen. Im gostiny dwor war sicher noch Platz für einen Laden mehr. Ich konnte Kauffrau werden und Jekaterina so eine Erziehung geben. Sie sollte lesen und schreiben lernen und eine ordentliche Ehe eingehen können, in der sie geliebt und geehrt wurde. Niemand sollte meine Tochter so behandeln, wie ich behandelt worden war.
Zwei Tage und Nächte lang hörte ich nichts vom Zaren. Er litt unter der drohenden Übermacht der Schweden, entwarf Pläne für sein Heer und zog nachts durch die Freudenhäuser, daß es den kampferprobten leichten Mädchen Kiews angst und bange wurde. Ich schluckte mehr Laudanum, als gut war, um schlafen zu können. Manchmal schien es mir, als ob ich in meinem dämmerigen Schlaf seine schweren Schritte vor meiner Tür verharren hörte. Doch er kam nie zu mir herein, und ich fiel wieder in den ungesunden Schlummer des Rauschs. Dabei litt ich selber: Meine Liebe und meine Treue geboten es mir, ihm in dieser schweren Stunde beizustehen.
Dann jedoch gab es keinen weiteren Vorwand mehr, meine Abreise aufzuschieben. Meine mit Eisenbändern und Schieferplatten beschlagenen Truhen mit Kleidern und Hausrat waren fest verschlossen und verschnürt. Meiner Abreise nach Moskau durch das unsichere, vom Krieg entzweite Land stand nichts mehr im Wege. Ich ließ einen Karren rufen und sandte Peter eine Nachricht, in der ich um bewaffnete Begleitung bat. Er ließ antworten, er könne im Augenblick keinen Mann abstellen. So ließ ich anspannen.
Es war ein sonniger Morgen zu Beginn des Augustmondes. Die goldenen Dächer der Stadt Kiew glitzerten feucht von süßem Sommertau. Ich war einen Augenblick lang geblendet, als ich in den Hof des Hauses trat. Bedienstete wuchteten meine Kisten mit meinen und Jekaterinas Kleidern auf den Karren. Jekaterina hielt ich fest im Arm. Makarow und Felten standen mit betretenen Gesichtern in der Tür. Ich umarmte beide und überreichte ihnen kleine Münzen mit dem heiligen Nikolaus, die sie um den Hals tragen konnten. »Ihr wart mir treue Freunde. Seid dem Zaren weiter treue Diener. Er braucht Euch. Vergeßt nicht, nach meinem Laden zu sehen, wenn Ihr wieder einmal nach Moskau kommt!«
Makarow sah unglücklich auf seine Füße, und Felten wischte sich die Augen mit seiner ausnahmsweise sauberen Schürze. Er verbeugte sich und reichte mir einen Beutel frischgebackenen Karamel für Jekaterina. Beide nickten eifrig: Ja, sie wollten mich besuchen kommen auf der nächsten Reise nach Moskau. Ich spürte einen Kloß im Hals und wollte hier jetzt keine Tränen zeigen. Was tat ich da? Warf ich nicht mein Glück und mein Leben mit vollen Händen von mir?
Ich schwang mich neben den derben Kutschknecht auf den Bock und ließ Jekaterina zu mir hochreichen. Jetzt nur nicht weinen! Das konnte ich vor den Toren der Stadt tun! Ich winkte den Männern noch einmal zu. Der Knecht schnalzte mit der Zunge und das Fuhrwerk zog mit einem Ruck an. Felten begann nun wirklich zu schluchzen. Im selben Augenblick wäre ich fast vom Kutschbock gerutscht, so plötzlich stockten die Pferde in ihrem Schritt: Die Hand des Zaren griff ihnen entschlossen in die Zügel.
5. Kapitel
Darjas Hochzeit mit Alexander Danilowitsch Menschikow war eine sehr stille und freudige Feier. Wie gerne wir uns dafür in althergebrachter Art herausgeputzt hätten: mit Schultertüchern mit Goldfäden, Perlenhauben, einem schweren Schleier, dreieckigen Quasten als Zopfschmuck und weichen Pantoffeln mit nach oben gezogenen Spitzen. Doch unter Peter feierten wir nach europäischer Art: Allerdings zuckte Darja die Schultern und lachte und weinte, als ich ihre Haut am Morgen der Hochzeit in der banja mit einem Bimsstein abrieb. »Ich würde ihn auch in ein Netz gewickelt heiraten! Wenn er nur mein wird!«
Menschikows Miene unter seiner Brautkrone mit der Darstellung Christi war finster. Darja jedoch strahlte in einem Kleid aus schwerem Seidengewebe und einer kleinen Fatonge , einem haubenähnlichen Kopfputz nach französischer Art, unter ihrer Brautkrone mit einem Bildnis der Mutter Gottes. An ihrer enggeschnürten Korsage saßen silberne Knöpfe, groß wie Eicheln, und der weite, schwere Rock ihres Kleides war dicht an dicht mit Silberlitze, Mondsteinen und kleinen Perlen bestickt. Als sie in die dämmerige, nur von Kienspan und Kerzen erhellte Kirche von Kiew trat, schimmerte sie wie der Mond selbst. Die kleinen Stickerinnen Kiews mußten nun blutige Fingerspitzen haben.
Weitere Kostenlose Bücher