Die Zarin (German Edition)
Brüssel.
»Und ein Ehering aus Gold!« schloß ich die Liste zum Scherz ab. Sie aber begann mit einem Mal zu schluchzen. Ich erschrak und schämte mich dafür, meine Freundin verletzt zu haben. Ich schloß sie in die Arme und tröstete: »Nun, es kann doch nicht mehr lange dauern! Du bist doch schon seit fast neun Jahren Alexander Danilowitsch eine treue Gefährtin! Er muß sich doch entscheiden.«
Darja schluchzte auf und schüttelte dann den Kopf: »Du weißt ja nicht, was passiert ist! Menschikow hat ein Auge auf eine Prinzessin Saltykowa geworfen und macht daraus auch gar kein Geheimnis! Sie ist erst fünfzehn Jahre alt, das Biest! Gestern abend sagte er, er wolle um sie anhalten und dann viele Kinder mit ihr haben. Ich soll mich auf das Landgut meiner Familie zurückziehen, wo ich auf weitere Befehle warten soll! Warten! Auf weitere Befehle! Oh, ich weiß nicht, was ich machen soll! Sie ist so jung und aus viel besserer Familie als ich! Und ich bekomme jetzt keinen anderen mehr!«
Makarow wurde ob ihres Ausbruches blaß und wollte sich eilig zurückziehen.
Darja schrie ihm hinterher: »Ja, schleich dich nur raus und erzähl ihm, was ich gesagt habe! Nur zu! Gewürm – niemandem kann man mehr trauen!« Es fehlte nicht viel, und sie hätte etwas nach ihm geworfen. Sie war so verzweifelt, daß sie sinnlos in die Kissen des bequemen Stuhles boxte, auf dem sie saß.
»Was soll ich nur tun? Ich habe ihm meine besten Jahre geopfert, und nun? Wer will mich denn jetzt noch! Ich will doch nur ihn! Aber er will seine junge Zuchtstute heiraten und prachtvolle, edle Kinder haben!« Sie spuckte vor Zorn und preßte sich die Fäuste vor das verquollene Gesicht. »Er ist wild auf sie, weil er sie nicht haben kann, die kleine Kebse! Keinen Augenblick lang darf der mächtige Alexander Danilowitsch sie alleine sehen! Und jetzt muß sein Schreiber ein schauerliches Liebesgedicht nach dem anderen an sie senden, Krieg oder nicht, Schlacht oder nicht! Mich konnte er jede Nacht haben – das tut der Liebe anscheinend nicht gut!«
Ich konnte nichts tun, als ihr hilflos einen Augenblick lang zuzuhören. Je mehr ihre Worte jedoch in meinen Geist eindrangen, um so zorniger wurde ich. Jekaterina krabbelte zu meinen Füßen, und wenn Peter und ich weiter in unserer gewohnten Weise die hellen Nächte von Kiew verbrachten, so sollte ich schon bald wieder mit Nachwuchs gesegnet sein. Der nächste kleine Fratz konnte nur eine Frage der Zeit sein. Wirklich, der Zar und ich waren wie die Karnickel, die sich die reicheren Einwohner in dem mir meiner Kindheit hielten. Er selber lachte von Herzen über meinen Vergleich, aber: Was, wenn es ihm nun einfiele, sich eine junge Prinzessin als Ehefrau zu nehmen? Mein Schicksal und das meiner Tochter konnte ich mir dann ausmalen! An diesem Nachmittag starb ein Teil meiner Sorglosigkeit. Waren alle Frauen denn nur ein Spielball männlicher Launen?
Darja weinte nur noch still in das Kissen. Ich streichelte ihr den Kopf. Als sie ihr hübsches Gesicht hob, war es rot und verquollen. Zudem hatte sich das Muster der Stickerei des Kissens auf ihre Wange gedrückt, was zusammen mit ihren zerrauften Haaren mein Mitleid mit ihr noch steigerte. Es stimmte: Darja war – wie ich – bereits fast dreiundzwanzig. Wenn sie noch Kinder wollte, mußte sie sich eilen.
»Geh’ jetzt nach Hause, Darja. Laß dir von deiner Magd eine Wanne voll heißes Wasser füllen und nimm’ nach dem Bad einige Tropfen Laudanum in warmer Schafsmilch, damit du schlafen kannst. Wir finden eine Lösung, mach dir keine Sorgen«, tröstete ich sie und ließ ihr ihre Sänfte rufen. Sie schniefte leise und hing an meinem Hals wie ein Kind, das sich das Knie aufgeschlagen hatte.
Ich blieb allein in dem warmen Zimmer unseres Hauses in Kiew, der goldenen Stadt, zurück. Jekaterina spielte zu meinen Füßen. Sie hatte in einem Pfeifenstumpf ihres Vaters ein neues Spielzeug entdeckt und saugte vergnügt an dem Stück aus geschnitztem Meerschaum. Unter ihrem weichen Gaumen und ihrem süßen Speichel verwandelte sich der russische Doppeladler schnell in einen unförmigen Klumpen. Das Sonnenlicht schien auf ihren blonden Kopf, und einen Augenblick sah sie dort auf den Teppichen, die den Boden bedeckten, wie ein Engel aus.
Peter sah nur gereizt auf, als ich ihn auf Menschikow und Darja ansprach: Außer den Sorgen um die Schweden, die in Sachsen standen, quälte ihn nun noch die Angst vor einem Aufstand des Atamans der Donkosaken Bulawin. Er
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