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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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tanzten die Nächte hindurch. Ich wechselte manchmal dreimal in einer Nacht die Verkleidung, von einem friesischen Seglermädchen zu einer Amazone, hin zu einer griechischen Göttin. Am Ende der Feiern, frühmorgens, wenn noch eine schwere samtene Dunkelheit über den Dächern Moskaus lag, ging ich mit einem Nachtlicht in der Hand in die Stube, in welcher Peter Petrowitsch mit seinem Kindermädchen schlief. Ich beugte mich über seine Wiege und vergewisserte mich, daß mein Kind noch atmete. Im März, mit der ersten zaghaften Schneeschmelze, verließ ich mit Peter Moskau und zog ins Feld. Es brach mir das Herz, den kleinen Peter zurückzulassen. Aber was sollte ich tun? Es gab zu viele andere Frauen auf den Schlachtfeldern, die dem Zaren willig in sein Zelt folgen wollten. So konnte ich in Moskau nicht ruhig schlafen. Ich ließ meinen kleinen Sohn in Menschikows Palast unter Darjas Obhut zurück. Auf der Reise und im Lager ließ ich lange Briefe diktieren, in denen ich sie anflehte, den Kleinen in all der Unordnung von Alexander Danilowitschs Haushalt nicht zu vergessen: »Laß’ meinen Petruschka nicht alleine in der Dunkelheit, denn dann bekommt er Angst. Laß’ ihm warme Kleider machen, ich bin sicher, daß Peter dafür aufkommt. Und solltest Du Dich zu einer Reise entschließen, bitte stell’ sicher, daß mein Sohn genug zu essen und zu trinken hat.«
    Der kleine Peter Petrowitsch starb unvermittelt, ehe noch die Osterglocken in dem auf seine Geburt folgenden Jahr läuteten. Er hatte gerade zu lächeln begonnen, als der Tod ihn uns entriß.
     
    Im Jahr nach der Geburt des kleinen Peter wurde ich abermals in Moskau von einem kleinen, gesunden Sohn entbunden, der jedoch kaum älter wurde als sein unglücklicher Bruder. Die Sorgenvögel zogen wieder durch meine Seele. Darja gab mir in jenen Tagen einen guten Rat: »Liebe ein Kind erst, wenn es laufen kann und stark genug ist, die ersten Fieber zu überstehen!«
    Manchmal jedoch, wenn ich den Kronprinzen Alexej wachsen und gedeihen sah, fragte ich mich, ob dies die Strafe Gottes für Peter nach der Verbannung von Jewdokija Lopuchina war.
    Ich teilte das Leben an der Seite des Zaren für fast vier Jahre, als ich meine Tochter Jekaterina zur Welt brachte. Peter sandte mir Briefe an mein Wochenbett, die ich mir vorlesen ließ: »Du fehlst mir, wann kommst Du?« schrieb er, und mein Herz wurde mir warm. Ich gab dem Vorleser mit noch schwacher Hand ein Zeichen, weiterzulesen. »Auch Menschikow ist nicht hier, und mir fehlen die beiden Gesichter, die ich am meisten auf dieser Welt liebe. Laß’ das kleine Mädchen stark und gesund sein, und komm bald zu mir. Gestern fiel ein braver Soldat im Rausch vom Dach, und Du hättest wie ich darüber sehr gelacht! Ich habe Spaß, aber nicht soviel, als wenn Du bei mir bist.«
    Ich beschleunigte meine Genesung und brach auf, um bei Peter zu sein. Die kleine Jekaterina Petrowna war ein liebes Kind mit blonden Locken und Grübchen in den Wangen und an ihren molligen Ellenbogen. Sie lief und sprach schon früh und war stets von frohem Gemüt: Peter wollte nicht aufhören, sie zu herzen. Wenn er abends mit seinen Männern zusammensaß und seine Sorgen über den Krieg und sein Land mit ihnen teilte, drehte sie mit ihren kleinen Händen unter dem Tisch vorsichtig an den Sporen seiner Stiefel, bis er sie auf seinen Schoß hob und sie von seinem Teller fütterte. Sie tat ihre ersten Schritte in Sankt Petersburg an den Ufern der Newa. Peter schien auf jeden ihrer Fortschritte so stolz zu sein wie auf die neuen Häuser seiner Stadt.
     
    Doch in jenen Nächten plagte ihn die Sorge um die Zukunft seines Reiches so sehr, daß er selbst in meinem Arm nicht schlafen konnte. Er sprach im Traum und kleidete sich mitten in der Nacht noch schlafend an, um ins Feld zu ziehen. Ich mußte ihn dann in die Kissen zwingen, damit er Kraft schöpfte für den kommenden Tag, der ihm neue Prüfungen auferlegen sollte. Karl von Schweden hatte seine Truppen nach Süden in Richtung Sachsen gewandt. General Rehnskjöld besiegte die Sachsen und die Russen bei Frauenstadt und ließ zum Entsetzen der russischen Generäle alle Gefangenen hinrichten. Die Schweden hausten in den besetzten Gebieten wie die Dreifaltigkeit aus Plage, Feuer und Tod: Die Sachsen waren zuerst ohne besondere Furcht vor ihren lutherischen Glaubensbrüdern gewesen. Dann jedoch erreichten uns die ersten Berichte unserer Spitzel: Es war entsetzlich! Ganze Dörfer hingen mit aufgeschlitzten

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