Die Zarin (German Edition)
werden. Die Gäste um uns, Peters engste Freunde und seine Familie, ließen ihr Besteck ruhen oder wischten ihre fettigen Finger an den Tischdecken ab und lehnten sich seufzend vor befriedigten Sinnen in den weichen Kissen zurück. Sie alle erstarrten, als sie die Worte hörten, die wohl für Praskowja bestimmt waren. Die Zarewna Iwanowna wurde rot bis unter die Haarwurzeln, als ihr bewußt wurde, daß wir alle ihre Worte vernommen hatten. Dann jedoch spitzte sie frech die Lippen, warf den sorgsam frisierten Kopf in den Nacken und klatschte in die Hände, um nach dem Mundschenk zu rufen.
Peter, der gerade leise mit Schafirow und Scheremetjew darüber sprach, woher das Geld und die Unterstützung für den Feldzug in die Türkei kommen sollten, sah auf. Seine Laune war in den vergangenen Tagen nicht die beste gewesen: Von all seinen Verbündeten wollte nur Prinz Dmitri Kantemir von Moldawien mit ihm ziehen. Sowohl August von Sachsen als auch die Kosaken hielten sich sorgsam zurück, wenn es darum ging, es sich mit der Goldenen Pforte zu verderben.
Jekaterina Iwanowna mußte seinen Blick fühlen wie ein Verdammter der Galeeren die Peitsche auf seiner Schulter. Niemand im Saal schien einen Atemzug zu wagen. Die Luft darin war von Angst geladen wie vor einem Blitzschlag. Einige Instrumente spielten zaghaft auf, und Peter brachte sie mit einer zornigen Handbewegung zum Schweigen. Er sah zu mir. Ich hielt den Kopf gesenkt, doch die öffentliche Demütigung von Jekaterinas Worten ließ Tränen über meine Wangen rollen. Peter griff für alle sichtbar über das Tischtuch nach meiner schlaffen Hand und drückte sie. Neben mir saßen Anna und Elisabeth. Beide begannen nun ebenfalls, meine Hände zu streicheln. Sie begriffen nicht die Worte, die gesprochen worden waren, aber sie sahen meinen Schmerz. Peter stand langsam auf.
»Praskowja, verwitwete Zariza von Rußland«, rief er durch den Raum. Praskowja Saltykowa zitterte, als sie sich aus ihrem Kissen aufsetzte und auf die Knie ging. »Mein Zar«, murmelte sie und berührte mit der Stirn den blanken Boden aus kunstvoll verschlungenen Holzarbeiten. »Deine Töchter sollen sich auch erheben: Die Zarewny Iwanowna und auch die Herzogin von Kurland«, befahl Peter kurz und mit harter Stimme.
Die jungen Frauen knieten sich verschüchtert neben ihre Mutter und berührten ebenfalls mit der Stirn den Boden. Peter ließ seine Augen durch den Saal schweifen, und seine Stimme klang etwas weicher, als er sagte: »Natalja Alexejewna, liebe Schwester, auch du, bitte! Und meine anderen Schwestern, die Zarewny Alexejewna.« Die Großfürstin Natalja küßte ihren kleinen Hund auf die Schnauze und gesellte sich wohlgemut zu Praskowja und ihrer Brut. Sie lächelte mir aufmunternd zu. Die alten Zarewny Alexejewna folgten.
Ehe ich wußte, was geschah, griff Peter mich unter dem Arm und zog mich auf die Füße. Ich stolperte fast, so schnell mußte ich seinem Schritt hin zu den Frauen folgen.
»Zariza Praskowja und Zarewny von Rußland! Ihr seid die höchsten damy von Rußland. Ich habe es mein Leben lang mein Anliegen sein lassen, Eurem Stand alle Ehre zu erweisen. Nun aber …« Er machte eine Pause, und die Augen der Prinzessinnen hefteten sich flehend auf ihn. Eine der jüngeren Zarewny Iwanowna begann leise zu weinen. Peter sprach langsam weiter: »Nun aber weise ich den Stand der höchsten Dame am Hofe meiner Gefährtin zu, der Mutter meiner Töchter Anna und Elisabeth, Katharina Alexejewna! Ich befehle Euch, und damit meinem ganzen Volk, sie als Eure Herrin anzuerkennen!« Seine Stimme hob sich, so als solle nun nicht nur der Saal, sondern sein ge samtes Reich seine Entscheidung hören. »Und sollte ich vor dem Feldzug in die Türkei nicht die Zeit finden, sie zu ehelichen, oder sollte ich dort nach Gottes Willen im Feld bleiben, so befehle ich Euch und allen heute: Katharina Alexejewna ist durch Unseren Willen Zariza von Rußland! Katharina Alexejewna ist meine Gefährtin an meiner Seite auf dem Thron von Rußland! Erweist ihr die Ehre, die ihr zusteht! Sie zu beleidigen, heißt mich zu beleidigen! Makarow, schreib das auf!« befahl er zuletzt noch dem Schreiber. Makarow nickte und jagte einen seiner Gesellen nach Papier und Feder.
Ich wagte kaum zu atmen, und Peters Handfläche klebte feucht an der meinen. Ich wandte mich zu ihm und versank in einen tiefen Knicks. Meine Knie zitterten, und ich führte seine Hand erst an meine Wange, ehe ich seine Handfläche küßte. »Ich werde bei
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