Die Zarin (German Edition)
Weiber bist. Das kann Leibniz freilich nicht wissen, der trockene Knochen!«
Ich seufzte, als er in mir kam. Als wir im Sommer bei Kopenhagen lagerten, war ich wieder guter Hoffnung.
Der dänische König verbrachte seine Tage und Nächte jedoch lieber mit seiner teuren Geliebten Anna Sophie von Reventlow, anstatt sich den schleichenden Verhandlungen zu widmen. Peter schnaubte: »So teuer wie die Metze ist, kann ich mir einen Stall voll von Huren leisten. Und dazu noch Schiffe bauen!« Ich war mir sicher, daß diese Worte der Reventlow zu Ohren kamen: Die Verhandlungen gingen, sofern das überhaupt möglich war, nun noch schleppender voran.
Von einem Tag auf den anderen ließ Peter unser Lager räumen, und wir brachen nach Mecklenburg auf. Herzog Karl Leopold und Jekaterina Iwanowna brachten unsere Truppen und unser Gefolge bei ihren Bürgern, Bauern und Gutsbesitzern unter. Sein Volk floh schwimmend oder auf Booten über die Elbe nach Niedersachsen oder suchte in den freien Reichsstädten Hamburg und Lübeck Schutz. Bei unserem ersten Treffen seit ihrer Eheschließung küßte Peter Jekaterina Iwanowna vor aller Augen auf den Mund und strich ihr über den Busen. Der junge Herzog errötete vor Verlegenheit. Peter knuffte ihn in die Seite, zog mich an sich und tätschelte Jekaterina dann den flach geschnürten Bauch. »Hier!« rief er stolz und schob mich nach vorne. »Sieh dir das an, Karl Leopold. Meine Zariza ist wieder in gesegneten Umständen. Da staunt ihr jungen Leute, was wir Alten noch so alles zustande bringen, was? Bring’ mir einen Humpen Bier darauf!« Er klatschte in die Hände und leerte das Glas, das ihm ein Page entgegenhielt, in einem Zug.
Seit meiner Abreise in den Westen hatten wir nichts von dem Zarewitsch gehört. Jedoch berichtete mir Darja Menschikowa täglich über das Wohlsein des kleinen Peter Petrowitsch und seiner Schwestern. In ihren Briefen fanden sich auch Hinweise auf Alexej, die mich beunruhigten. Er war nach meiner Abreise wieder in seine verworfene Lebensart verfallen. Anscheinend, so schrieb Darja voll Verachtung, hatte das finnische Mädchen Afrosinja die verstorbene Zarewna Sophie Charlotte voll ersetzt und trug bei Banketten und Festen sogar deren Schmuck!
Mit einem Mal aber schien sich der Zarewitsch zum Handeln zu entschließen: Die Frist der sechs Monate, die Peter ihm gestellt hatte, war dabei längst schon verstrichen.
Ich war gerade bei meiner Morgentoilette in meinen Räumen im Mecklenburger Schloß, als Peter unangemeldet den Raum betrat. Es war ein erstaunlich warmer Oktobermorgen in Mecklenburg. Ich hatte die hohen Fenster öffnen lassen, so daß die Luft im Raum frisch war und die zarten Vorhänge aus französischem Seidenvoile sich in der Brise blähten.
Es war nur einige Tage, bevor mein kleiner Sohn so weit weg von mir seinen ersten Geburtstag feiern sollte. Auf der Newa lag jetzt wohl schon Eis, die Luft blieb einem klar und kalt an den Lippen hängen, und die ersten buntbemalten Schlitten zogen ihre Spuren über den Fontankakanal. Ich hatte Heimweh und Sehnsucht nach meinen Kindern und wollte ihre vor Kälte rosigen Wangen küssen. Im Park des kleinen Sommerpalastes gegenüber der Peter-und-Pauls-Festung konnten sie nun mit ihren Fußspuren im Schnee Muster formen. Was kümmerte mich da das goldene Laub in den Wäldern von Mecklenburg?
Meine Frauen erhoben sich beim Anblick des Zaren und zogen sich zurück. Sie wirkten wie Geflügel in einem Hühnerstall, in den ein Fuchs einfällt. Peters Gesicht glänzte, denn er hatte sich bei den Übungen mit seinen Truppen erhitzt. Seine Haare waren vom Wind zerzaust, und an den Absätzen seiner Stiefel klebte noch der Dreck der Ställe und des morgendlichen Marschierens. Der Ausdruck seines Gesichtes war undeutbar, doch als er mich küßte, schmeckte ich Bier.
Ich lachte: »Peter, du hast ohne mich getrunken! Das ist nicht nett – oder versuchst du nur, die wohltätigen Auswirkungen des Wassers von Bad Pyrmont vergessen zu machen?« fragte ich ihn und begann, mir die Haare zu bürsten.
Er schüttelte den Kopf und drängte sich neben mich auf die kleine, weich gepolsterte Bank vor meiner Spiegelkommode. Ich roch seinen frischen Schweiß und fuhr ihm mit einem Finger über die Wange. Peter jedoch zog schweigend aus der Tasche seines abgetragenen Rocks zwei enggefaltete Briefe, von denen das Siegelwachs bröckelte. Ich hatte keine gute Vorahnung und legte ruhig die mit Silber beschlagene Bürste nieder.
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