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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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So wartete ich, daß der Zar zu sprechen begann.
    »Heute morgen sind zwei Briefe aus Sankt Petersburg gekommen«, sagte Peter nur. »Einer ist von Menschikow. Er schreibt, daß der Zarewitsch ihn um eine Leihgabe von tausend Dukaten gebeten hat, um die Reise nach Mecklenburg antreten zu können. Er will seine finnische Metze mitnehmen. Auch der Senat hat ihm zu diesem Zweck zweitausend Rubel gegeben.«
    Im Spiegel musterte ich Peter, der mit gerunzelter Stirn den Brief noch einmal überflog. In seinem vom Trinken und der Schlaflosigkeit gezeichneten Gesicht konnte ich noch immer den jungen Mann von außerordentlicher Schönheit erkennen. Er las schweigend weiter. So fragte ich schließlich: »Und? Hat er dann Sankt Petersburg auch wirklich verlassen?«
    Peter nagte auf seiner Unterlippe. »Anscheinend ja. Er soll mit Afrosinja, ihrem Bruder Iwan Fedorow und drei Dienern die Stadt verlassen haben.«
    Ich lachte wieder und sagte erstaunt: »Das scheint mir eine kleine Begleitung für den Zarewitsch zu sein! Er macht doch sonst keinen Schritt ohne seine Popen, Sänger, Bader und Narren!«
    Peter suchte meinen Blick im Spiegel. Er nickte: »Eben. Und doch habe ich einen zweiten Brief der Zarewna Maria Alexejewna erhalten …«
    Ich wartete nun gespannt. Maria Alexejewna war die eine der noch lebenden Halbschwestern Peters, der ich nicht vertrauen konnte und wollte. Peter erklärte: »Sie will den Zarewitsch auf ihrem Rückweg von Karlsbad getroffen haben. Er soll sich, so sagt sie, für die Thronfolge entschieden haben und auf dem Weg zu uns sein.«
    Ich griff wieder zu der Bürste und hielt sie Peter auffordernd hin. »Dann ist doch alles in bester Ordnung, starik . Komm, mach’ dich nützlich, anstatt dich zu grämen.« Er sah mich einen Augenblick lang an und schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, ich weiß nicht. An der Geschichte stimmt etwas nicht.«
    Er stand dennoch auf und begann, mir so kräftig die Haare zu bürsten, daß es auf meiner Kopfhaut kribbelte und angenehme Schauer meinen Nacken hinabjagten.
     
     
     
     
     
    Alexej. Ich glaubte, das weiche und verletzliche Gesicht meines Stiefsohnes in den Schatten der weichenden Nacht zeichnen zu können. Der blaue Tag hielt nur zaghaft am Himmel über Sankt Petersburg Einzug. Aus dem Gang war kein Laut zu hören. Wie seltsam, die ganze Nacht über hatte ich dort das Scharren der Füße und das heisere Flüstern der Stimmen vernehmen können. Nun: Nichts mehr von alldem. Eine erschrockene und angespannte Stille lag über dem Winterpalast. Das erste Tageslicht legte sich wie ein Band aus Silber um das Gebäude. Auf dem Platz vor dem Palast konnte ich die ersten Gestalten ausmachen. Sie standen zusammen, zögerlich, so, als ob sie auf etwas warteten. Waren Ostermann und Tolstoi unter ihnen? Ich kniff die Augen zusammen, doch es half nichts. In der Dämmerung des Morgens fühlte ich mich so blind wie die Maulwürfe, die wir als Kinder aus ihren unterirdischen Bauten räucherten, um ihnen dann das weiche Fell über die Ohren zu ziehen.
    Fahrende Händler zahlten einen guten Preis für Maulwurfsfelle, erinnerte ich mich. Frauen nähten weiche Mützen und das Futter für die Mäntel reicher Leute aus ihnen.
    »Woran denkst du?« fragte Menschikow mich leise. Ich drehte mich zu ihm und lehnte mich gegen die Fensterbank. Kalte Luft zog durch die Ritzen der Fenster und füllte langsam den Raum. Elisabeth war über dem Warten auf den Geheimen Rat und eine Entscheidung eingeschlafen. Ich wünschte mir in diesem Augenblick ihre Herzensruhe. Nun, sie hatte sich ja auch entschlossen, im großen Spiel um die Macht eine Runde auszusetzen. Für mich dagegen war heute nacht die letzte Möglichkeit, meine Karte auszuspielen. Ihr Kopf lag weich auf ein Kissen gebettet, und ihr rosiger Mund stand beim Atmen ein wenig offen. Menschikow sah mich weiter abwartend an und wiederholte seine Frage: »Woran denkst du, Zarin?« Er verwendete nun ebenfalls diese Anrede, wie Feofan Prokopowitsch es vor ihm getan hatte.
    Ich wollte ihm nicht augenblicklich antworten und musterte sein von der Müdigkeit geschwollenes Gesicht. Wie seltsam, dachte ich. Ich habe ihn hunderte, tausende Male gesehen, und doch kann ich mir seine Züge nicht wirklich einprägen. Dieses Gesicht mit der starken Nase, den schmalen Lippen und den tiefliegenden Augen schien kein besonderes Merkmal zu haben. Es war dasselbe und doch mit jedem Tag ein anderes Antlitz: Ja, es war sein Gesicht, aber doch auch das der

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