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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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mich darum kümmern, wenn ich in Paris bin.«
    Ich schwieg, denn ich war noch immer verletzt: Peter wollte mich nicht nach Paris mitnehmen.
    »Weshalb darf ich nicht mit?« hatte ich gefragt, geweint und gefordert.
    »Oh, Katerinuschka, du würdest dich dort nur langweilen! Und sieh mal, ich muß mich nicht um Rußland sorgen, wenn ich dich hier weiß!« hatte er mir geschmeichelt.
    »Langweilen? Ich mich? In Paris? Wovon sprichst du?« Ich starrte ihn verständnislos an. Zwar kannte ich Europa nicht, aber ich wußte daß eine Frau sich in Paris nicht langweilen konnte.
    In Wahrheit schämte sich der Zar meiner. Er kannte den Hof von Paris und wußte, daß ich dort mit meiner dicken Schminke, meinem großen Schmuck und meinen mit Ikonen besetzten Kleidern keinen Eindruck schinden konnte. Er wollte aber so unbedingt mit allen Ehren am Hof von Paris empfangen werden! Der Regent und der kleine König Ludwig der Fünfzehnte persönlich sollten ihn in Versailles willkommen heißen! Bei meinem Anblick aber würde der Hof von Frankreich, an dem die Höflinge bis zu fünfmal am Tag den Rock wechselten, vor Lachen schier ersticken. Dabei wunderte sich Peter selber, ob die Franzosen mit ihren Schneidern unzufrieden seien, weil sie so oft das Gewand wechselten!
    »Weshalb Paris?« fragte ich schließlich doch, um das Schweigen zwischen uns zu überbrücken. Peter lachte plötzlich auf und riß mir die Hände aus meinem Muff aus Zobel. Mit einigen wilden Tanzschritten drehte er mich unter den wirbelnden Schneeflocken. »Einen König will ich! Einen König!« rief er so laut, daß es von der glatten Fassade des Winterpalastes widerhallte. »Den König von Frankreich für eine meiner Töchter!«
    Wir glitten auf dem Eis des Platzes aus und fielen in den Schnee, wo wir lachend liegenblieben.
     
    Zwei Wochen später verschwand das Gefolge des Zaren unter viel Lärm und Trubel hinter einer Wand aus Nebel und Eisregen vor meinen Augen. Das letzte, was ich von Peter sah, war die bunte Fahne, die an seinem mit Samt und Pelzen ausgeschlagenen Schlitten wehte. Alexej stand bei der Verabschiedung etwas von uns entfernt. Sein Gesicht war düster und sein Blick verhangen. Vor einigen Tagen hatte er sich für die Mönchskutte entschieden. Angeblich sollte Alexander Kikin ihm dazu geraten haben. War Kikin der einzige, der auf einen Machtwechsel in Sankt Petersburg wartete und sich sorgfältig darauf vorbereitete? Ein Mann wie Peter konnte jede Stunde sterben. Ich konnte mir die Worte deduschkas lebhaft vorstellen: »Ein Kloster ist kein Grab … Denk’ daran, so mancher Mann ist aus der Kutte in die Throngewänder gestiegen. Dein Vater kann nicht mehr ewig leben …«
    Peter jedoch wollte Alexej eine letzte Möglichkeit zur Umkehr offenhalten: Kurz vor seiner Abreise hatte ich ihn in Alexejs Gemächer begleitet. Die dralle Afrosinja ruhte dort auf Kissen vor dem Feuer aus. Bei unserem Anblick sprang sie überraschend behende auf und knickste tief. Peters Zwerg ahmte ihre Bewegungen nach und wollte dann vor Lachen schier platzen. Sie trat ärgerlich nach ihm, aber er entzog sich ihren Absätzen mit einer raschen Drehung.
    Peter tat, als sähe er das Mädchen nicht, und hielt Alexej die schriftliche Erklärung entgegen und fragte: »Meinst du das ernst?«
    Alexej ging vor seinem Vater in die Knie und sagte: »Es ist mein Herzenswunsch, mich in die Stille eines Klosters zurückziehen zu dürfen. Bitte, glaubt mir, mein Vater!«
    Peter jedoch schüttelte den Kopf und meinte: »Du weißt nicht, was das heißt. Es ist eine schwere Entscheidung für einen jungen Mann. Denk’ noch einmal darüber nach. Dann schreib mir.«
    »Wann?« fragte Alexej hastig. Peter, der sich schon zum Gehen gewandt hatte, drehte sich noch einmal um: »In sechs Monaten, mein Sohn. Dann will ich eine Antwort haben.«
    Ich sah einen Anflug der Erleichterung auf dem Gesicht des Zarewitsch. In sechs Monaten, so dachte er wohl, konnte bei Peters Lebenswandel viel geschehen.
     
    Einige Wochen vor meinem Aufbruch nach dem Westen klopfte es an die Tür meines Studierzimmers. Es war nur einige Tage, nachdem wir die Zariza Marfa Matwejewna, die Frau des Zaren Fjodor und Schwester meines Freundes Fjodor Matwejew Apraxin, zu Grabe getragen hatten. Ich hatte die ehrwürdige Frau zu ihren Lebzeiten kaum gesehen, dennoch erfüllte ihr stilles Sterben mich mit Trauer. Als der Hofarzt ihren toten Körper untersuchte, stellte er fest, daß sie noch Jungfrau gewesen war.
    Es klopfte noch

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