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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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einmal an die Tür. Anna Kramer, die mir an jenem Tag Gesellschaft leistete, öffnete die Tür. Ich hörte einige leise Worte, die gewechselt wurden. Anna knickste, und als sie ihren Kopf hob, sah ich in ihrem Gesicht den Ausdruck tiefer Überraschung.
    »Die Generalin Balk bittet darum, vorgelassen zu werden«, sagte sie. Ich erhob mich und sah Anna fragend an. Was konnte die frühere Anna Mons von mir wollen? Ich warf einen raschen Blick in den Spiegel aus venezianischem Glas, der über meinem zierlichen Studiertisch hing. Mein Gesicht war rund und rosig, und jegliche Falten waren dank meiner Eßlust gnädig gepolstert. Mein Hals war mit Diamanten bedeckt, die mir auch von den Ohren hingen. Ich trug ein nach der letzten Mode geschnittenes Kleid aus burgunderrotem Samt: einer Farbe, die meinen grünen Augen und meinem matten Hautton schmeichelte. Ja, so konnte ich Anna Mons empfangen. Ich winkte mit der Hand, und herein kam die Frau, die alle damy und Metzen des Reichs mehr gefürchtet und gehaßt hatten als Pestbeulen auf ihrem eigenen Körper. Sie war noch immer schön. Ihr aschblondes Haar schimmerte seidig, und das tiefe Blau ihres mit Pelz verbrämten Umhangs ließ ihre Augen funkeln. An ihren Ohren schimmerten Saphire, und die gleichen Steine glitzerten an ihrem Handgelenk, als sie den Rock hob, um in einem tiefen Knicks zu versinken.
    »Eure Majestät, Zariza. Habt Dank, daß Ihr mich empfangt«, sagte sie mit ihrer rauhen Stimme.
    Einen Augenblick lang fuhr es mir durch den Kopf, daß mich seit meiner Heirat mit Peter niemand mehr geradeheraus und ohne Umschweife angesprochen hatte. Jeder Satz mußte zehnmal verdreht werden. Kein Anliegen wurde mehr ohne Hintergedanken vorgebracht. Das ermüdete mich. »Generalin Balk. Bitte, setz’ dich zu mir!« sagte ich dennoch freundlich und ließ mich selber vor dem Ofen aus Delfter Kacheln nieder. Seine glatte Oberfläche strahlte eine angenehme Wärme aus. Balk zögerte, und erst jetzt bemerkte ich den jungen Mann, der ebenfalls in der Tür stand.
    »Ja?« fragte ich überrascht und blickte Anna Mons, die noch immer stand, auffordernd an.
    Sie knickste noch einmal und sagte dann: »Zariza, gestattet, daß ich Euch meinen jüngeren Bruder Wilhelm Mons vorstelle. Er ist gerade von einer Reise aus Europa zurückgekehrt und sucht nun um eine Stellung im kaiserlichen Haushalt nach.«
    Sie schwieg und sah mich abwartend an. Ich musterte den jungen Mann erstaunt. Er erwiderte meinen Blick ohne Scheu und verneigte sich. Er war ebenso schön wie alle anderen Sprößlinge der Familie Mons. Sein dunkles Haar war dicht und wellig, und seine blauen Augen waren von langen, fast schwarzen Wimpern umgeben. Er war groß, hatte breite Schultern und war gut gewachsen: Eine Tatsache, die durch seine engen Hosen, die langen glänzenden Stiefel und den modisch schmal geschnittenen Rock betont wurde.
    »Natürlich, natürlich …«, sagte ich nur verwirrt und spürte, wie mir das Blut ins Gesicht stieg. Er lächelte mich an. Anna Mons ließ sich nun doch neben mir nieder. Ich klatschte in die Hände. »Anna! Laß’ tschai , Wodka und Pastete bringen! Wir müssen für Wilhelm Mons einen Posten finden!« sagte ich leichthin. Anna Kramer drückte sich scheu an dem jungen Mann vorbei, der sich wohlerzogen auch vor ihr verbeugte. Sie errötete tief. Mein Blick fiel auf Wilhelm Mons’ Hände. Er trug vier Ringe daran, die aus verschiedenen Metallen geschmiedet waren. Er bemerkte meinen Blick und lächelte wieder, wobei er starke weiße Zähne entblößte. Er erklärte: »Dies sind meine Glücksbringer, Zariza. Ein Ring aus Blei, aus Kupfer, aus Eisen und …«, er zögerte sichtlich.
    »Und?« fragte ich lachend.
    »Und aus Gold«, antwortete er mit fester Stimme.
    »Was hat er zu bedeuten?« fragte ich.
    »Liebe. Er steht für die Liebe«, sagte er schlicht.
    Einen Augenblick lang hing eine unerklärliche Stille im Raum. Dann sagte ich leichthin: »Wilhelm Mons kann bei der Zarewna Elisabeth Petrowna als Kammerherr anfangen. Dann werden wir weitersehen.« Wilhelm Mons verneigte sich, und die Generalin Balk machte Anstalten, meine Hand zu küssen. Ich jedoch erhob mich und schüttelte meinen Rock aus. »Guten Tag«, sagte ich nur und ging aus dem Raum, ohne die Geschwister Mons noch eines Blickes zu würdigen.
    Weshalb fühlte ich mich mit einem Mal so hilflos und verwirrt?
     
    Einige Wochen darauf verließ ich Sankt Petersburg. Meine Kinder ließ ich in der Obhut Darja Menschikowas zurück,

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