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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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Innereien in Sülze. Peter umarmte Menschikow: Er begann in seinen Armen hemmungslos und trunken zu weinen. Ich sah noch, wie ein Page den Filter in den Raum trug, durch den einem Unglückseligen Wodka in den Rachen geschüttet wurde. Mein kum , der Admiral Apraxin, hielt den Knaben auf und nahm den Filter selber in den Mund. Dann hob er ein kleines Faß Wodka und schüttete sich den Inhalt in den Rachen. Peter löste sich aus Menschikows Armen und schrie: »Nicht, Apraxin! Deine Sauferei macht mir Sorgen! Es langt, daß ich schon Lefort und Golowin an den Suff verloren habe!«
    Das Fest endete erst am folgenden Tag: Die gesamte Gesellschaft mußte die Wege im Park um den Kreml von dem frisch gefallenen Schnee freischaufeln, damit Peter und ich dort nach einem erholsamen kleinen Schlaf spazierengehen konnten. Wir lachten über die grünen Gesichter unserer übernächtigten Gäste. Sie konnten nur mühsam beim Schaufeln mit unseren Schritten mithalten. Die Zarewna Elisabeth Petrowna und der Zarewitsch begannen, sie mit Schneebällen zu bewerfen, und jubelten, als sie die alte Anastasia Golizyna mitten ins Gesicht trafen. »Treffer, versenkt!« schrie auch Peter. Er faßte Peter Petrowitsch unter den Armen und begann sich wild mit ihm zu drehen. »Mein Sohn! Der Kronprinz! Komm, flieg, Peter Petrowitsch!« Ich klatschte mit meinen Damen im Takt. Wir begannen zu singen, als die beiden sich immer schneller drehten. Schließlich wurde Peter selber schwindelig, und er ließ sich mit Peter Petrowitsch in den Schnee fallen.
     
    Wir verbrachten in jenem Jahr noch das Osterfest in Moskau. Bei allen neuen Sitten, die Peter eingeführt hatte, feierten wir die hohen Feste der orthodoxen Kirche noch immer wie in alten Tagen. Im Kreml bogen sich lange Tafeln unter den hohen, weichen Kuchen, den kulitsch , die mit süßer Milch gebacken waren . Dazu aßen wir die köstliche pascha , einen Osterkuchen aus frischem Käse und gezuckerten Früchten. Alexej, so fiel mir auf, rührte noch immer keinen Bissen an, und sein nach polnischer Art geschnittener Rock hing unvorteilhaft von seinen knochigen Schultern. Woher wollte er die Kraft nehmen, die kommenden Monde durchzustehen? Peter und ich nahmen nach dem Gottesdienst auf unseren Thronen Platz. Peter Petrowitsch trug eine kleine Uniform des Preobraschenskoje-Regiments. Er saß auf einem goldenen Schemel zu unseren Füßen. Anna und Elisabeth trugen Kleider aus heller Seide, die mit Silberlitze und buntem Garn bestickt waren. Ich war stolz auf ihre frischen, jungen Gesichter und ihre Anmut. Die Osterfeier begann. Ehe der erste Höfling an den Zaren herantrat, sagte Peter noch leise zu mir: »Meine Güte, wenn das hier vorbei ist, werde ich wieder Rückenschmerzen haben. Kann ich heute abend zu dir kommen?«
    Für einen Augenblick lang war der Schrecken der vergangenen Wochen vergessen. Wir waren wieder ein Liebespaar, das sich neckte. Ich nickte.
    In diesem Augenblick trat auch schon der Admiral Fjodor Matwejew Apraxin an uns heran. Er verneigte sich vor dem Zaren und bot ihm ein buntbemaltes Ei als Geschenk dar. Peter neigte den Kopf und gab Apraxin ein ebensolches Ei zurück.
    Apraxin sagte mit lauter Stimme: »Christ ist auferstanden!«
    Peter antwortete feierlich: »Wahrlich, er ist auferstanden.«
    Fjodor Matwejew stieg die beiden Stufen zum Thron hinauf, und Peter neigte seinen Kopf. Sie tauschten einen dreifachen Kuß zum Zeichen des Friedens aus.
    Diese Sitte vollzog Peter mit jedem der anwesenden Höflinge. Es wurde dunkel über dem Roten Platz, ehe wir selber von dem kulitsch und der pascha ko sten konnten. In der Nacht schlief Peter dicht an mich gedrückt. Seine Hand ruhte schützend auf meinem Leib, und am Morgen horchte er nach dem Leben darin. Er schien mir ruhiger zu sein als in den vergangenen Wochen. Vielleicht, so hoffte ich, konnte doch noch alles ein gutes Ende nehmen. Seine Träume hatten in jener Nacht einmal nicht die Gesichter seiner Opfer angenommen. Die Stunden seines Schlafes hatten ihn im Schutz ihrer Dunkelheit von seinem Alb befreit. Der frische Morgen wurde von Sturzbächen von Regen begleitet. Er reinigte die Luft von ihrem Verwesungsgeruch und wusch mit dem letzten Schnee auch das Blut von den Steinen des Roten Platzes. Ich erinnere mich, daß ich an jenem Morgen dachte: Vielleicht ist das Grauen nun vorbei.
     
    Der Große Nordkrieg währte nun schon fast zwanzig Jahre. Alle waren des Kampfes müde: Die Generäle, die seit Jahren kreuz und quer durch

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