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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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…«
    »Gleich wirst du um so besser verstehen. Gib mir die Briefe, Afrosinja!« unterbrach ihn Peter und streckte fordernd die Hand aus. Afrosinja tauchte ihre Hand in ihren ausladenden Ausschnitt. Sie förderte ein Bündel Briefe zutage und wagte es, Peter dabei ein keckes Lächeln zu schenken. Ich hätte die Hure schlagen mögen. Doch ich hielt meine Arme vor der Brust verschränkt.
    »Katharina Alexejewna, liebe Stiefmutter …«, sagte Alexej da gerade. Ich drehte mich vollends zu ihm um. Nun erst sah ich seine Gestalt voll im grausam hellen Licht des Morgens. Er sah entsetzlich aus. Seine Haut war gelb und durchscheinend und spannte sich über die mageren Knochen und die angestrengten Züge seines Gesichtes. An Kopf und Nacken konnte ich Spuren der Mißhandlung erkennen. Nichts Ernstes, aber doch Zeichen, die nur eine Knute in die Haut schlagen kann. Man hatte die Hand erhoben gegen den Zarewitsch. Er war so mager, daß ich seine Hüftknochen durch den Stoff seiner Gefängniskleider stechen sah. An seinen nackten Füßen sah die Haut an vielen Stellen abgeschürft und gerissen aus. Ich versuchte, ihn ermutigend anzulächeln, doch meine Augen füllten sich mit Tränen. Peter, der uns aus den Augenwinkeln beobachtete, unterbrach Alexej wiederum.
    »Alexej Petrowitsch Romanow – das Mädchen Afrosinja hat ihre vaterländische Pflicht erfüllt, indem sie Briefe, die du verbrannt haben wolltest, sorgsam aufbewahrt hat!«
    Peter wog das Bündel ab und zog es dann mit genießerischem Ausdruck unter seiner Nase durch. »Sie hat den Beweis deines Verrates an ihrem Busen aufbewahrt …, an ihrem warmen, weichen Fleisch!« er senkte seine Stimme zu einem Flüstern und schnupperte an den Papieren.
    Alexej schrie gepeinigt auf und fiel auf seine Knie. »Nicht! Weshalb seid Ihr so grausam, mein Vater, weshalb? Was habe ich Euch je getan, außer als Euer Sohn geboren zu sein!« rief er mit spitzer, sich überschlagender Stimme.
    Afrosinja saß nun wie festgefroren auf ihrem Schemel.
    »Halt’ den Mund!« fuhr Peter ihn an. »Ich sitze auf gerechte Art und Weise über dich zu Gericht! Und ich werde ein gerechtes Urteil fällen! Wage es nie, hörst du, niemals, mir etwas anderes zu unterstellen!«
    Alexej barg sein Gesicht in den Händen und ließ sich bei Peters Worten vollends zu Boden sinken. Er wimmerte leise und wiegte sich wie ein Kind hin und her. »Ich bin verloren, ich bin verloren …«, flüsterte er vor sich hin. Ich mußte an mich halten, ihm nicht aufzuhelfen. Meine Hände legten sich statt dessen um die Fensterriegel. Die Sonne schien warm auf meine um das Blei verkrampften Finger. Am Licht, ich mußte am Licht bleiben. Peter begann, im Kreis um seinen Sohn zu gehen. Er entfaltete den ersten Brief, las einige Zeilen und schüttelte den Kopf. »Mein Sohn, ich muß dir sagen, trotz all der Mühe die Wir uns mit deiner Erziehung gegeben haben, hast du noch immer eine unmögliche Handschrift …«
    Afrosinja lachte ob des unerwarteten Hohns schrill auf. Alexej begann nur wieder zu weinen. Es war, als hätte ihr Anblick und ihr Verrat ihm die letzte Hoffnung und die letzte Kraft geraubt. Peter fuhr ungerührt fort: »Ein Brief an den Kaiser nach Wien … Laß uns doch mal sehen, was du dem Trottel zu sagen hattest … ›Wie Eure Majestät gehört haben, ist der junge Bastard meines Vaters von der Wäscherin krank zu Bette. Ihr seht, mein Vater tut, was er möchte, und Gott tut, was er möchte.‹ Was hältst du von diesen Worten, meine Wäscherin?« wandte Peter sich an mich.
    Ich mühte mich, mein Gesicht ohne Ausdruck zu halten. In mein Herz jedoch stach ein Gefühl, das aufflammte wie der Wahnsinn, damals, unter der bitteren Sonne von Pruth, in den kahlgeschorenen Köpfen von Peters Truppen.
    Alexej haßte meinen Sohn. Er wünschte meinem Jungen den Tod. Der Gedanke mischte sich in mein Blut, jagte durch meine Adern und bohrte sich mit giftigen Widerhaken in meine Seele. Ich vermied es, Alexej anzusehen, denn ich begriff, daß Peter keine Antwort von mir erwartete.
    Er entfaltete unterdessen den nächsten Brief.
    »Ah, dieser hier geht an deine liebe Base, Jekaterina Iwanowna, nach Mecklenburg: ›… Jekaterina Iwanowna, Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie sehr ich auf einen Aufstand der russischen Truppen in Mecklenburg hoffe … Dies kann allem Übel und damit meinem Vater ein Ende setzen …‹« Peter machte eine kurze Pause. Alexej krümmte sich auf dem kalten Boden und heulte hemmungslos. »Vater,

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