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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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meinen Schutz nicht bauen. Sie waren nichts als ein Wall aus Sand, der von der ersten Welle der Ungnade weggewaschen wird. Was nun? Liefen sie nun über in das Lager der Frau, die das Hirn des Zaren ganz offensichtlich zwischen ihren Schenkeln gefangenhielt? Die Männer hielten jedoch die Augen peinlich gesenkt. Sie nickten dennoch zu den Worten der Kantemir. Geschah es aus Furcht, aus Höflichkeit oder aus Diplomatie?
    »Was soll ich dann tun, Maria?« fragte Peter sie gerade neugierig. Er führte wieder ihre Hand an seine Lippen und küßte ihre Finger. Sie ließ sich mit ihrer Antwort Zeit und wölbte den Mund. »Komm’ an wie der Gott des Meeres – auf den Schiffen, die du geschaffen hast, auf dem Wasser, das nun auf immer dir gehört, in die Stadt, die du gegründet hast. An Moskau können wir später denken«, sagte sie leichthin.
    Peters Augen leuchteten auf, und er sagte laut: »Meine Maria! So klug!« Er griff ihren Kopf und küßte sie auf den Mund. Ich konnte sehen, wie sie ihn spielerisch in die Lippen biß. Seine Hand glitt über ihre Brüste, und sie schob ihn mit einem weichen Lächeln von sich. »Später, mein Zar!« murmelte sie und schlug ihre dunklen Wimpern nieder.
    Meine Fingernägel krallten sich in meine Handflächen, doch es gelang mir, zustimmend zu lächeln.
    Diese Frau war gefährlicher als jeder Hagel, jeder Brand und jede Plage. Ich versuchte, meiner Unruhe Herr zu werden, indem ich nun die Hände um meinen vollen Leib legte. Das Kind schien mir mit einem ermutigenden Stoß seiner kleinen Hand zu antworten. Was immer Maria Kantemir plante, so war es doch ich, die den Zarewitsch unter dem Herzen trug.
     
    Wir segelten die Newa wie ein Bild aus einem Traum hinauf.
    Der Herbsthimmel war so blau und weit gewölbt wie sonst nur zur Zeit der ottepel. Die Wellen schäumten grün und grau hoch am Bug der Boote. Es war, als wollten sie sich unserem Jubel anschließen. Die Wasser der Newa verschwanden fast hinter dem leuchtenden Weiß der Segel der Hunderten von Schiffen, Fregatten und Booten. Die Luft fing sich süß in den bunten Flaggen und Wimpeln, die von den Masten und den Wanden hingen. Trompeten schallten, und ihr Klang wurde von den Fassaden der Häuser zu uns zurückgeworfen, wo er sich auf den Booten mit dem Schlagen der Trommeln mischte. Die Kanonen schossen eine Breitseite nach der anderen, ihr bitterer Rauch erfüllte die Luft und nahm uns für Augenblicke den Atem und die Sicht.
    Peter stand am Bug des Schiffes. Die Ufer seiner Stadt waren schwarz von Menschen, und da wurde es ihm wohl der gesetzten Feierlichkeit zu viel. Er riß sich sein schmutziges Taschentuch aus dem Rock und begann, wie wild damit zu wedeln. » Mir! Mir! « schrie er aus vollem Halse. Auch ich griff zum Spitzentuch und schrie mit ihm den Frieden in die Welt hinaus, bis mir die Kehle schmerzte und der Leib brannte. Die Sonne bohrte sich unbarmherzig unter meine Haut und in meinen Schädel, doch ich wich nicht von der Seite meines Mannes: weder am Platz der heiligen Dreieinigkeit noch in der Kirche, in der wir aus vollen Kehlen das Te Deum anstimmten. Meine Schneider hatten die Nächte durcharbeiten müssen, und ich wußte, daß ich in dem Kleid aus blaugrün schillernder Seide und meinem glänzenden, geschmückten Haar wie eine echte Zariza aussah. Unter meinen Busen hatte der Meister ein Band aus Smaragden und Saphiren gearbeitete, so daß niemand daran dachte, auf meinen bereits schweren Bauch zu sehen.
    »Du glänzt so, Katerinuschka, da ist es kein Wunder, daß selbst die Elstern auf dem Dach mitfeiern!« meinte Peter nach der Messe und griff kurz nach meiner Hand. Dann erklomm er die Bühne vor dem Tempel des Janus, der auf dem Platz zwischen den Fahnen und den bunten Buden der Händler aufgebaut worden war, und schrie in die Menge: »Meine Kinder! Euer batjuschka Zar dankt dem Allmächtigen Gott, der uns einen gnädigen und ewigen Frieden schenkt! Ich trinke auf Euer aller Gesundheit, und auf den Glanz und den Wohlstand Rußlands!« Unter dem Brüllen der Masse trank er einen Humpen Branntwein in einem Zug aus und wischte sich mit dem Ärmel seines mit Goldlitze bestickten Rockes den Schaum vom Mund. Die Schweißtropfen auf seiner Stirn glänzten wie bunte Perlen, als er einmal in die Luft schoß. In Weiß gekleidete Boten mit frischen Zweigen in ihrem Haar liefen durch die Straßen, wo die Menge sich an freiem Bier und Wodka betäubte, bis sie vergaß, was sie eigentlich feierte. Den gesamten Abend

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