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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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von einem Soldaten gehört habe! Ein Mann in Weiberröcken! Sie weiß, daß er auch gerne in andere Betten steigt, und sie läßt das auch zu – solange ihr nur keine andere gefährlich wird. Olga ist keine Gefahr, das weiß sie. Das Mädchen ist zu plump, zu dumm. Du dagegen …« Sie sprach nicht weiter, denn in diesem Augenblick kam der junge Pferdeknecht Grigori herein. Er verlangte einen Napf von der dicken Gemüsesuppe, die wir in der Küche zu Mittag bekamen.
    Sofia antwortete patzig: »Katz’ und Magd essen wann’s behagt, Knecht und Hund fressen, wenn was kommt!« Dann aber erhob sie sich doch und schöpfte ihm eine gesunde Portion aus dem Kessel. Ich sah zu, wie Grigori behaglich seine Suppe schlürfte. Er war ein freundlicher Junge, der jedoch an einer seltsamen Krankheit litt. Er hatte plötzliche Anfälle, in denen er zuckte, sich wand und sich zu Boden warf, Schaum vor dem Mund hatte und um sich trat. Die Anfälle waren schlimmer geworden, seitdem Wassili ihn eines Tages verprügelt hatte. Grigori hatte nicht aufgepaßt, als er die Pferde in den Stall führte. Wassilis Lieblingspferd riß sich so an einem rostigen Haken blutig, und es verendete wenig später. Wassili peitschte ihn aus Wut blutig, und seitdem waren die Anfälle so schlimm, daß wir den Jungen dabei festbinden mußten, damit er sich nicht selbst verletzte. Zuerst hatte Sofia noch angenommen, das Leiden käme von Gott, aber nun waren wir uns dessen nicht mehr so sicher.
    Grigori saß bei uns auf einen Schemel gekauert und sah mich nach jedem Löffel seiner Suppe scheu an. Sofia bemerkte das, grunzte wieder und schickte mich in den Hühnerstall, die Eier für den Speckkuchen sammeln. Sie selber machte sich daran, das grobe Mehl auszusieben und das Salz abzuwiegen. Die weißen Zwiebeln mußte ich später noch schneiden und weinte mir dabei wie üblich die Augen aus.
     
    Sofia hatte recht mit ihrer Warnung. Als Praskaja von ihrem Ausflug zu ihren Eltern wiederkam, haßte sie mich vom ersten Augenblick an. Sie gab mir die schwersten Arbeiten, die sie vor Wassili verantworten konnte: Ich mußte Eimer mit Kohle und Wasser schleppen, die Asche aus den Feuerstellen kehren und die Schweine auf die Wiese treiben. Bei jeder Ungeschicklichkeit ohrfeigte sie mich, grub mir die Fingernägel in die Haut oder zwickte mich schmerzhaft. Einmal verbrühte sie mir fast den Arm, als sie mich absichtlich anstieß, während ich heißes Wasser in ihr Bad trug. Sie zwang mich auch, meine Haare straff festgesteckt unter einer unansehnlichen Haube zu tragen, und fuhr mich an, wenn ich in Wassilis Gegenwart meine Augen aufschlug. Wenn es dunkel wurde, folgte sie mir in die Mägdekammer und verschloß die Tür hinter mir. Den Schlüssel verwahrte sie in ihrer Tasche. Nach dem ersten bitteren Gefühl des Gefangenseins war ich ihr jedoch fast dankbar: Sie war mein bester Schutz vor Wassili.
     
    Abgesehen von Praskajas Bosheit und Wassilis Art, mir seine Hände bei jeder erstbesten Gelegenheit auf den Hintern zu legen oder sich geil wie ein Köter an mich zu drücken und meine Brüste zu betasten, war das Leben im Haus des Kaufmannes nicht sehr hart. Jeder Tag dort war noch immer voller Neuheiten und Wunder: Ich sah jeden Moment Dinge, von deren Dasein ich bis dahin keine Ahnung gehabt hatte, so wie in dem Lagerhaus am Fluß, das ich sauberhalten mußte. Hier konnte ich Wassilis Waren nach Herzenslust begutachten.
    Wassili handelte mit allem, was ihm Geld bringen konnte: derbem Leinen aus Rußland und feinem glänzenden Stoff aus fernen Ländern, deren Namen ich mir nicht merken konnte. Dieser Stoff, den Olga Seide nannte, schimmerte in allen Farben von tiefem Purpur bis hin zu einem schalen Weiß, und oft waren darauf Fabeltiere und wundersame Muster eingestickt. Olga wollte auch wissen, daß der Faden dafür nicht wie unser Kattun und der Flachs auf Feldern wuchs und auch nicht wie Wolle auf dem Rücken von Tieren – nein, sie behauptete, er käme von fetten Raupen, die den ganzen lieben langen Tag lang an Bäumen hingen, nur fraßen und sich darin einspannen! Für wie dumm hielt sie mich eigentlich, fragte ich mich. Eine solche Raupe wollte ich auch gerne sein!
    Die Regale quollen vor Waren über, und Wassili führte selbst streng Buch über die Güter, die jeden Tag ab- und aufgeladen wurden – da waren Fässer mit Wachs und Honig, Bündel mit Salzbrocken, Säcke mit Zucker und Mehl, Schachteln mit Meerschaum, Gläser mit Ochsenfett, rohe und gegerbte

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