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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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unter dem Einfluß seiner fremdländischen Hure stand, die er sich in den deutschen Siedlungen genommen hatte. Dabei hatte er doch eine gute Frau geheiratet: eine Russin aus einem alten Geschlecht, die ihm auch einen gesunden Thronerben geboren hatte!
    Die Russen, die unseren Weg kreuzten, verneigten sich kurz und sagten Wassili respektvoll guten Tag. Dann sahen sie mich an und grinsten frech. Ich streckte hinter ihrem Rücken die Zunge heraus.
    Aber der Gestank der Stadt! Meine Nase wurde fast stumpf bei all den Schwaden, die da in den Straßen standen. Unser Dorf war nur klein gewesen: Die Schwaden von Schweiß und Ausscheidungen, dem schlechten Wasser, dem Vieh, das offen streunte, und den Eimern mit unserem Unrat, die auf die Straße geleert wurden, verlor sich leicht in den Weiten unserer Ebenen. Hier jedoch schien aus jeder Ecke ein anderer Gestank zu steigen, der sich in der Hitze des Tages ins Unerträgliche steigerte. Der Geruch der Menschen auf der Straße stieg wie in warmen Wolken um uns auf. Ich rümpfte die Nase – anscheinend war man hier in Walk nicht an den wöchentlichen Besuch im Badehaus gewöhnt. Durch die Straßen aus festgetretener Erde und kleingeschlagenen Steinen rann Abwasser, und Schweine, Hunde und Ratten wühlten in den fauligen Speiseresten. Die Leute leerten zu meinem Erschrecken ihre Töpfe direkt aus ihren Fenstern, teilweise den Menschen auf den Kopf und die Kleider. Aus denselben Fenstern stieg jedoch auch der Geruch nach Erbsensuppe, nach eingelegtem Kraut, nach Kohl- und Fleischpastete, gebratenem Federvieh, frischem Brot, und da waren noch so viele andere Düfte, die ich in meiner Armut nicht beim Namen nennen konnte.
    Wassili schnalzte ein letztes Mal mit der Zunge, zog an den Zügeln, und die Pferde bogen mit klappernden Hufen in einen Hof ein: Wir waren angekommen.
    Sein Haus war größer als alle, die ich vorher gesehen hatte. Es stand nahe am Fluß auf Stelzen, unter denen seine Schweine und Hühner eingepfercht waren. Ihre Verschläge waren sauber, und es roch warm und frisch nach Tierleben im Hof. Rechts und links des Hofes sah ich langgezogene Gebäude: Dies waren die Stallungen für den Karren und die Pferde. Ich konnte sehen, daß der Grund zwischen dem Haus und dem breiten Flußufer zu einem großen Gemüsegarten aufgeteilt war. Wassili warf einem jungen Knecht die Zügel zu und hob mich vom Kutschbock.
    Dabei streifte seine Hand meine Brust, und mir schauerte. Er grinste nur und wies mich an, der dicken Frau zu folgen, die eben aus dem Haus gewatschelt kam.
    Sie musterte mich streng von oben bis unten. Ihr dunkles Haar war von grauen Strähnen durchzogen, und ihre Augen traten leicht aus den Höhlen. Ihr Gesicht erinnerte mich an die dicken Frösche, die wir als Kinder gefangen und mit Halmen aufgeblasen hatten, bis sie platzten. Auf ihrem Doppelkinn hatte sie eine Warze, auf der drei Haare sprießten. Ihre Häßlichkeit tat jedoch ihrer Ausstrahlung von Ruhe und Bedeutung keinen Abbruch. Sie war gekleidet wie ich und trug noch eine große Schürze vor den beachtlichen Bauch gebunden. Darauf klebten frisches Blut und kleine Federn.
    »Wer ist das, Herr?« fragte sie Wassili auf russisch und stemmte die Hände in die Hüften. Sie tat, als sei ich nicht vorhanden, und sprach über meinen Kopf hinweg.
    »Eine neue Magd, Sofia.« Mir fiel auf, daß er ihren Blick mied. »Sie heißt Martha.«
    »Martha – wie noch?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Das ist doch nicht wichtig.«
     
    Sofia herrschte unumstritten in Wassilis Haushalt: Sie achtete darauf, daß dort alles seine Ordnung hatte. Am Anfang hatte ich Angst, mich in dem großen Haus zu verlaufen, und ich hielt mich nur in den mir zugeteilten Ecken auf. So war ich froh, in der Küche bleiben zu können, wo mir Hühner, Gänse, und Ferkel zwischen den Beinen herumliefen und der schwere, glühende Ofen die Hitze jenes Sommers ins Unerträgliche steigerte.
    Als mir jedoch durch meine Pflichten das Ausmaß von Wassilis Wohlstand bewußt wurde, gingen mir die Augen über. Die Vorratskammer hatte ordentlich gefüllt zu sein, denn Wassili hatte viele Gäste, welche stets einige Tage blieben und denen es gutgehen sollte. Wir salzten Fisch, legten Pilze und Wurzeln ein, bedeckten Obst, Gemüse und baltische Heringe mit Alkohol und Essig und drückten Fleisch in Sülze. Kleine Gurken schwammen in hohen Gefäßen, und frische Milch säuerte in Fässern zu Kefir, wenn Sofia nicht den Rahm zu salziger

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