Die Zarin (German Edition)
Butter schlagen ließ oder ihn zu Käse abhing. Zudem lagerten da in Ki sten und Säcken Grieben, Mehl, rote und weiße Zwiebeln, Kartoffeln, Nüsse, Stockäpfel, Schrumpfbirnen, Kürbisse, weiße Rettiche, Kohl, Rüben, Linsen, Erbsen und Bohnen, schmale grüne, die zart dufteten, und die dicken weißen, die Elisabeth Rabe zu einem schleimigen Eintopf gekocht hatte. Von der Decke hingen getrocknet die Gewürze, bis auf den Safran, den Sofia in einer Schatulle wegsperrte: Er stammte aus einem Land mit dem Namen Indien und wurde in der Ladenstadt praktisch in Gold aufgewogen. Neben den Kräutern hingen da auch ganze Schinkenseiten, die einen wunderbaren, zart-salzigen Duft verströmten. In schlanken Flaschen bewahrte sie in der dunkelsten Ecke der Regale verschiedene Öle und mehrere Sorten Essig auf, die Wassili von weither kommen ließ. Daneben standen kleine abgedeckte Schalen, in denen sie fest eingekochte Pasten für Suppen und Soßen aufbewahrte – oh ja, an seinem leiblichen Wohl war Wassili sehr gelegen! Zu Beginn meines Aufenthaltes hatte ich, sobald Sofia mir den Rücken zudrehte, nur den Finger in den Töpfen! Ich hatte ja nicht geahnt, daß es solche Köstlichkeiten gab. Ab und an hatte ich früher an Festtagen in der Küche des Klosters ausgeholfen, aber was war die magere Kost der Mönche gegen dieses Himmelreich! Ansonsten mußte das Haus saubergehalten werden: Wir klopften die Felle und Teppiche und wendeten das Stroh auf dem Boden im Gang, so daß es nicht faulte, und die vergoldeten Rahmen um die Ikonen auf den mit Holz verkleideten Wänden mußten sanft schimmern. Die Bohlen des Fußbodens wurden von uns regelmäßig auf Knien gewachst und hatten so die Farbe und den Duft von Honig. Am erstaunlichsten aber schien mir das Schlafzimmer Wassilis: Zwar fühlte ich mich immer unbehaglich, wenn ich es am Morgen säuberte und sein Bett lüftete. Dennoch konnte ich nicht umhin, mit der Hand über die Laken auf dem großen Holzbett zu streichen und den gestärkten, nach Kräutern riechenden Stoff an meine Nase zu führen. In unserer isba hatte ich mit meiner Familie dicht zusammengedrängt auf dem flachen Ofen geschlafen. Wir hatten uns dort tief in das warme Stroh gewühlt, nicht viel anders als die Säue im Stall des Klosters, wirklich. Ich hatte nicht gewußt, daß Menschen auch in weichen Stoffen schlafen konnten: Selbst die Mönche des Klosters ruhten nur auf ihren kargen Pritschen!
Wassili war verwitwet und hatte keine ehelichen Kinder. Jedoch ging eine der Mägde, eine blonde, lustige und üppige Russin namens Olga, mit einem Kind schwanger. Nach einigen Tagen verstand ich, daß das arme Mädchen nicht einmal verheiratet war. Wassili hatte aber auch nicht, wie es eigentlich Brauch war, für ihre Verlobung gesorgt. Sofia war einigermaßen freundlich zu mir, und als ich eines Nachmittags mit ihr saß und Kohl für einen Speckkuchen kleinschnitt, wagte ich zu fragen: »Von wem ist Olgas Kind?«
Sie grunzte und spaltete den Kohlstrunk in ihrer Hand mit einem kräftigen Hieb ihres Messers. Dabei klemmte sie ihre Zungenspitze zwischen die Lippen und hielt beide Hände weit von sich.
»Der Herr hat sie geschwängert«, meinte sie dann. Ihr Gesicht war dabei unergründlich.
»Der Herr?« Ich machte große Augen und verstand nicht sofort. Das war doch bisher nur in der Bibel vorgekommen.
»Einfältiges Ding!« schimpfte Sofia. »Wassili natürlich. Er ist eben ein Mann. Und Praskaja hat nicht immer ein Auge auf ihn.« Sie musterte mich und legte mir dann abschätzend eine Hand auf den Busen.
»Paß auf dich auf, Martha. Du bist warm wie ein Tier. Wenn dir mit Wassili dasselbe passiert wie Olga, wird dich kein ordentlicher Mann mehr wollen. Und wenn Praskaja sieht, daß Wassili hinter dir her ist …«
Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen stieg und mein Gesicht brennend rot wurde. Ich dachte wieder an Elisabeth Rabes Beleidigungen.
Sofia schwieg bedeutungsvoll und kniff mich nun in den Busen. »… dann wirst du deiner Tage nicht mehr froh!« Sie kicherte, zeigte all ihre starken, gesunden Zähne, und die Haare auf ihrer Warze am Kinn zitterten im Takt ihrer Heiterkeit.
»Wer ist Praskaja?« fragte ich vorsichtig und bewegte die Kohlblätter mit der Hand im Wasser des Bottichs hin und her.
Sofia grunzte wieder. »Praskaja ist eine Schlange. Böse wie Gift. Sie hat hier als Magd angefangen und Wassili ist ganz vernarrt in sie. Sie trinkt mehr als er und macht derbere Scherze, als ich sie je
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