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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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ihrem Fett und ihrer Faulheit war Darja ihr altes Feuer verlorengegangen.
    Ich erhob mich, und Wilhelm Mons sah mich fragend an. Ich bedeutete ihm, mir zu folgen. Wir durchquerten schweigend meine von einigen Kerzen matt erleuchtete Zimmerflucht, bis wir das chinesische Kabinett betraten. Die Flammen des Kamins erweckten die gemalten Vögel auf den mit bunter Seide bespannten Wänden zum Leben. Meine Augen gewöhnten sich rasch an das unstete Licht. Darja hatte nicht Platz genommen, sondern lief wie wild gewordenes Federvieh in dem kleinen Raum auf und ab. Ehe ich sie begrüßen konnte, warf sie sich bereits auf die Knie. Ihre Schultern bebten vor Schluchzen, und der Griff ihrer Hände um meine Knöchel schmerzte. Ich zog sie hoch und umarmte sie, ehe ich sie auf Armeslänge von mir hielt und freundlich musterte.
    »Wilhelm, gib der Prinzessin Menschikowa dein Taschentuch. Man läßt keine Fürstin und überhaupt keine Frau so weinen!« tadelte ich ihn freundlich. Er gehorchte mit einer Verbeugung. Darja schnäuzte sich laut wie eine Bauersfrau in das dargebotene Seidentuch und schien sich etwas zu fassen. Ihr Haar war vollkommen zerrauft, und die Tränen hatten häßliche Spuren in die bleiche Schminke gezogen, die sie sich noch immer aus Venedig kommen ließ. Ich drückte sie bestimmt auf einen der mit Schnitzereien überzogenen Stühle, der viel zu zart für ihr Körpergewicht schien. Ich ließ mich neben ihr nieder. »Also, was hast du mir zu sagen?« fragte ich sie, während ich ihre Hände umfaßte. Die Müdigkeit in meiner eigenen Stimme erstaunte mich, und Darjas Augen flogen rasch und prüfend über mein Gesicht. Sie senkte den Kopf und wühlte angelegentlich in ihrem ausladenden Ausschnitt, bis sie fand, wonach sie suchte: Ihre weichen, mit vielen Ringen besetzten Finger hielten mir eine kleine Rolle Papier entgegen.
    Ihre Stimme zitterte, als sie mir erklärte: »Alekascha wollte mir nichts sagen. Aber er hat heute den grünen Salon kurz und klein geschlagen. Die Küche ist auch schon Kleinholz, und den Koch hat er furchtbar verdroschen. Den sehen wir nicht mehr! Nun schlägt er vor Zorn und Verzweiflung die Kacheln in seinem Studierzimmer von der Wand! Was ist denn geschehen?« fragte sie flehentlich.
    Ich schüttelte nur den Kopf und entrollte das Papier. Darauf stand nur ein Satz geschrieben. Die Schrift war fahrig und die Tinte von Tränen verschmiert. Ich reichte den Bogen Papier an Wilhelm Mons weiter. »Lies ihn mir vor«, befahl ich ihm kurz. Er tat ein, zwei Schritte in Richtung des Kamins, um die Worte im Schein der Flammen besser erkennen zu können. »Was soll ich nur tun?« las er vor, und ich konnte das Erstaunen in seiner Stimme hören.
    Ich schwieg. Er verstand die Dringlichkeit der Nachricht nicht. Wie konnte er auch? Anders jedoch Darja und auch ich. Die Fassungslosigkeit in ihrem Gesicht sprach Bände. Der mächtige Menschikow wußte nicht mehr weiter. Sie griff nach meinen Händen und wisperte: »Bitte, Katharina Alexejewna, um alles, was uns einst so lieb war.«
    Ich spürte ihre weichen Lippen, die meine Finger mit Küssen bedeckten. Plötzlich kam mir ein Gedanke, und ich mußte lachen. »Was dein Mann tun soll, Darja?« fragte ich nun in heiterer Stimmung. »Nun, ganz einfach! Er soll dem Befehl seines Herrn folgen und zu dem Stand zurückkehren, den er in seiner Jugend innehatte! Und zwar gleich morgen abend bei einem Nachtmahl in meinen Gemächern. Sag ihm, wir speisen in kleiner Runde!«
    Sie sah hilflos von Wilhelm Mons zu mir. Dennoch nickte sie, und trug die Nachricht mit sich fort in die frostige Winternacht meiner Stadt.
     
    Unser Mahl war schlicht: Eine dicke Hühnersuppe, in der mit Kraut gefüllte pelmeni und saure Gurken schwammen , gefolgt von einem mit Zwiebeln gefüllten Lamm. Peter riß sich mürrisch ein Stück von dem Fladenbrot ab und schlürfte seine Suppe geräuschvoll. Er sprach kaum ein Wort. Er hatte am Morgen erfahren, daß er für den persischen Feldzug noch mehr Geld brauchte. General Matjuschkin wartete noch immer auf die rechte Gelegenheit, nach Baku vorzustoßen. Die Truppen hungerten und froren. Wie sollte er mit kraftlosen Männern Persien erobern? Gleichzeitig jedoch wurde es für Peter schwierig, noch einen Gegenstand im Reich zu finden, der noch nicht mit einer Steuer belegt war. Der Zar nahm selbst seinen Anteil an einem zehnfach geflickten Netz, das der ärmste seiner Untertanen durch die Wasser Rußlands zog.
    »Fällt dir vielleicht etwas ein,

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