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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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was ich noch besteuern könnte?« fragte er mich so ohne viel Hoffnung in seiner Stimme. Ich überlegte kurz: Haus, Vieh, Holz und Ziegel, Hauswaren, Geschirr, Besteck, Schlitten, Karren, Bienenhäuser, Teiche, Flüsse, Mühlen, ja selbst banjas waren schon besteuert – eben alles, worauf Peters Auge fallen konnte, wenn er durch sein Land ritt. Ich löffelte in meiner Suppe und förderte neben einem pelmeni etwas Kraut und eine saure Gurke zutage.
    »Wie wäre es mit Gemüse? Kraut und Gurken?« fragte ich aufmunternd.
    Peter schwieg einen Augenblick, schüttelte den Kopf und lachte dann. »Das ist schon geschehen, Katerinuschka. Ich zehnte jedes Gemüse in meinem Reich. Ich muß zugeben: Das einzige, was nicht versteuert ist, ist die Luft zum Atmen.«
    »Na, das wäre doch eine Idee«, sagte ich leichthin.
    Peter lachte nun noch mehr und hob seinen Humpen Bier. »Auf dich und deine Kunst, mich immer wieder zum Lachen zu bringen! Über all die Jahre!« Seine Augen wurden feucht bei diesen Worten. Das Kerzenlicht milderte die eisgrauen Strähnen in seinem Haar und glättete die tiefen Falten, die sich durch sein aufgedunsenes Gesicht zogen. Wilhelm Mons, der hinter meinem Stuhl stand, füllte eilig meinen Krug nach, so daß ich mit Peter anstoßen konnte. In dem Augenblick des Schweigens, der herrschte, als wir die Gläser an die Lippen setzten, hörten wir von draußen Geklapper und Gedröhn. Dazu rief eine uns bekannte Stimme rauh: » Piroschki ! Heiße frische piroschki ! Frisch aus dem Ofen!«
    Ehe ich noch meine Heiterkeit unterdrücken konnte, sprangen schon die Türen auf, und herein kam der Fürst Menschikow, jedoch nicht, wie man ihn kannte: Alexander Danilowitsch war in Lumpen gewickelt, und trotz der Kälte trug er keine Schuhe an den Füßen. Auf seinen Kopf hatte er eine schmutzige Bäckermütze gestülpt und er hielt ein großes Tablett vor den Bauch gespannt. » Piroschki! Piroschki! Die besten von ganz Preobraschenskoje! Nur bei mir, dem Bäckerknaben Menschikow!«
    Er hielt vor Peter inne und streckte ihm seinen Bauchladen auffordernd hin. Peters Augen wanderten vom Gesicht seines Freundes zu den goldbraunen, duftenden Piroggen und wieder zurück. Ich sah, wie er mit dem Lachen kämpfte. Er griff sich eine Pirogge und biß hinein. »Hmm – immer noch so gut wie damals, Menschikow, du Lump!« Menschikow setzte nun den Bauchladen ab und kniete vor Peter nieder. Er fragte leise: »Verzeihst du mir, Herr meines Herzens?« Peter zögerte noch, das spürte ich. Menschikow sah ihn treuherzig an und sagte: »Ich habe gefehlt. Aber wenn du jeden Lumpen in deinem Reich hinrichten lassen willst, stehst du bald ohne Untertanen da!«
    Peter warf das angebissene Gebäck von sich. Seine Hunde schnappten danach, als er Menschikow umarmte. Er lachte und doch liefen ihm die Tränen über die Wangen. »Verrate mich nie wieder, Alekascha, denn sonst muß ich dir wirklich den Kopf abhacken lassen, so leid mir das täte«, schluchzte er. Menschikow umarmte den Zaren gleichfalls.
    Er saß an jenem Abend bei uns, und wir aßen, als sei nie etwas geschehen. Ich spürte mit einem Mal Wilhelm Mons nahe, ganz nahe bei mir. Sein Atem schien nach Honig zu duften, und die kleinen Haare auf meinem Arm, die dem Bimsstein des Baders widerstanden hatten, richteten sich auf. So hörte ich nur mit halbem Ohr, wie Menschikow sich zu Peter lehnte und leise sagte: »Auf den Lumpen Schafirow dagegen solltest du ein Auge halten …«
     
    Am folgenden Morgen kam ein Mohrenknabe in meine Räume. Er trug einen Mantel aus purpurnem Samt, auf dem das Wappen der Menschikows eingestickt war. Seine Augen glänzten wie Kohlestücke und seine Haut war weich wie dunkler Samt. Er verneigte sich stumm und schlug die Schmuckschatulle auf, die er kaum in seinen kleinen Händen halten konnte. Vor meinen Augen schimmerten ein Diadem, eine Kette und Ohrgehänge, wie die Schatzkammer des Zaren sie nicht aufweisen konnte. Ich nahm die Kette aus dem Samt und seufzte vor Vergnügen, als ich sie mir vor dem Spiegel aus venezianischem Glas um den Hals legte. Der Mohr sank nun anmutig auf seine Knie und zirpte in gebrochenem Russisch: »Mit Dank und Verehrung von Alexander Danilowitsch Menschikow.«
    Ich sandte den Knaben zu Abraham Petrowitsch, Peters Mohren, wo es ihm an nichts fehlen sollte.
     
    Einige Wochen später, als wir in Peterhof waren, ließ Peter mich zu sich rufen.
    Den Morgen noch hatten wir gemeinsam verbracht: Die fette, gestreifte Stallkatze,

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