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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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gestritten. Als der zu seiner Peitsche griff, schrie Fjodor: »Faß mich nicht an, ich bin der Bruder unserer imperatriza ! Wenn du mich schlägst, so wirst du dafür bezahlen müssen!«
    Da er bei diesen Worten besoffen wie ein Vieh war, wurde er erst einmal eingesperrt, ehe man ihn nach Sankt Petersburg brachte. Ich musterte seine blonden, weichen Haare, die mich an die meines Vaters erinnerten. Er hatte die tiefliegenden Augen und die mürrischen Lippen von Elisabeth Rabe.
    »Wie geht es Christina?« fragte ich. Die Worte strichen über meine Lippen, und die Frage schmeckte nach dem süßen Wind unserer Jugendtage. Tage, die viel älter schienen als meine Zeit.
    Fjodor legte den Kopf schief und grinste dumm. »Oh, sie hat uns allen Schande gemacht«, antwortete er auf mit deutschen Tonfall gefärbtem Russisch. »Sie ist nach dem großen Hunger von zu Hause weggelaufen, nachdem Mutter sie grün und blau geschlagen hatte. Sie hatte sie mit einem Burschen auf dem Feld entdeckt. Nun ist sie ein leichtes Mädchen in Reval, jedem zu Willen!« sagte er und schob die Lippen vor, als wolle er ausspucken. Ich schüttelte den Kopf und fragte weiter: »Und die anderen? Was ist mit dem Rest der Familie geschehen, nachdem ihr aus Kreuzberg fort seid?«
    Fjodor zuckte die Schultern. »Michail arbeitet auf den Feldern um den Ladogasee. Anna hat einen Schuhmacher in Riga geheiratet. Der Mann hat Geld wie Heu. Trotzdem hetzt er die Hunde auf mich, wenn er mich sieht.« Er zuckte mürrisch mit den Schultern und zog lautstark seinen Rotz hoch. Fjodor, mein starker, immer hungriger Bruder: Ich hatte ihm Essen aus den Klo sterküchen gestohlen, damit er ab und an satt wurde. Der Faulpelz, dem ich die Krüge mit Wasser auf das Feld zu seiner elenden Arbeit geschleppt hatte. Der Hirsedieb, dessen Rücken ich verbunden hatte, als die Mönche ihn peitschen ließen.
    »Wie ist Vater gestorben?« fragte ich weiter.
    Er zuckte nur wieder mit den Schultern. »Unser neuer Herr hat ihn totgeschlagen, kurz nach dem großen Hunger.«
    »Und Elisabeth Rabe?« Mein Hals war mit einem Mal so trocken, daß meine Stimme nurmehr ein Flüstern war. Fjodor grinste faul, legte den Kopf schief und machte eine eindeutige Geste mit den Fingern seiner beiden Hände. »Sie ist in das Haus unseres neuen Herren gezogen … Sie hat ihm trotz ihrer Jahre noch gefallen.«
     
    Peter zeigte sich großzügig: Fjodor, Michail und Anna bekamen eine Leibrente von ihm ausgesetzt. Meine Bitten für Christina aber stießen auf taube Ohren. Er schüttelte noch im Empfangssaal den Kopf, als die Soldaten Fjodor Skawronski wegbrachten. »Ein leichtes Mädchen in Reval. Nein, also wirklich, Katerinuschka!« sagte er mit gespielter Entrüstung. »Ich werde sie suchen und in ein Kloster stecken lassen. So ist sie versorgt«, entschied er. Er ergriff meine Hand und drückte einen Kuß zwischen die zahlreichen Ringe an meinen Fingern. »Jetzt verzeih, ich habe dringende Geschäfte: Zuerst muß ich in den Senat.« Er seufzte. Aus Zorn über die Nutzlosigkeit vieler Senatoren hatte er die Treffen auf eine halbe Stunde begrenzt. Es kam vor, daß er sie danach bei den Haaren packte und ihre Schädel aneinanderschlug, um ihnen beim Denken zu helfen. Bei seinen nächsten Worten jedoch hellte sich seine Miene auf: »Außerdem muß diesem Dieb und Betrüger von Menschikow eine Abreibung erteilt werden. Anscheinend versucht er wieder, die kaiserlichen Käufer übers Ohr zu hauen …«, fügte er nun fröhlich hinzu. Ich sah ihm nach, als er davoneilte: Seine dubina schlug einen frohen Takt an seine hohen Stiefel, so, als ob sie sich auf Menschikows Rücken vorbereitete. Auch Elisabeth und Anna knicksten und wandten sich zum Gehen. Als ich mein Kleid richtete, traf mein Blick die blauen Augen von Wilhelm Mons. Als auch er gegangen war, sah ich Pawel Jaguschinski noch in der Tür stehen. Ehe ich wußte, was ich tat, winkte ich ihn zu mir.
    Er verbeugte sich und kam näher.
    »Pawel Iwanowitsch, findest du es recht, wenn ein mannbares Mädchen aus bestem Hause von einem jungen Mann auf Schritt und Tritt begleitet wird? Kann das nicht anrüchig wirken?« fragte ich ihn vertraulich.
    Jaguschinski paßte seinen Schritt dem meinen, langsamen, an. »Es wirkt nicht nur anrüchig, es ist anrüchig, meine Kaiserin …«, sagte er vorsichtig. Mehr wollte er nicht sagen, das spürte ich.
    »Ich schätze die Dienste, die der junge Mons der Zarewna Elisabeth Petrowna geleistet hat«, entschied ich so ohne

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