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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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Prinz, der Peters Reich von Riga bis nach Derbent durchqueren und dabei jede Nacht auf einem eigenen Gut übernachten konnte, suchte mühsam nach seinem Gleichgewicht. Er griff nach einer Stuhllehne und zog sich auf seine zitternden Beine. Oh ja, jeder einzelne Russe kannte eine andere Geschichte über seine Gier! Er ließ sich jeden Dienst und jeden Handgriff, den er für andere tat, vergüten: sei es durch Rubel und Kopeken, ein edles Pferd oder ein schönes Mädchen für eine Nacht. Er hatte mehr Titel und Ehren als Haare auf dem Kopf. Seine Speisen wurden von französischen Köchen zubereitet. Er fuhr zehnspännig aus. Auf dem Dach seiner Kutsche prunkte eine Fürstenkrone, und seine Pferde trugen Decken aus purpurnem Samt, in welche mit Goldfäden sein Wappen eingestickt war. Manchmal mußte ich auch darauf achten, daß Darja Menschikowa nicht prachtvollere Juwelen trug, als ich es selber tat.
    Dennoch, ich vergesse keinen Menschen, der mir je Gutes getan hat! In Sankt Petersburg konnte man nur Kläger oder Angeklagter sein, und ich wollte dafür sorgen, daß mein alter Freund nicht so unvermutet auf die Schattenseite des Lebens wechselte.
    »Worum geht es?« fragte ich wieder. Peter straffte sich und sagte: »Alexander Danilowitsch Menschikow hat das von Uns in ihn gesetzte Vertrauen mißbraucht. Er hat die Truppen in Persien verraten, indem er ihnen faules Brot und dünne Suppe vorsetzte und das Geld für ordentliche Verpflegung in Juwelen um den Hals seiner fetten Gattin hängt! Außerdem hat er den Kosaken fünfzehntausend Seelen gestohlen, und jetzt habe ich den Aufstand am Hals!« Er spuckte zornig aus.
    Ich schüttelte den Kopf und versuchte zu lachen. »So schlimm kann es doch gewiß nicht sein! Bleibt Menschikow denn nicht immer Menschikow?« drängte ich. Menschikow wagte ebenfalls ein zögerliches Lächeln. Gerade das jedoch schien Peter noch mehr zu reizen, denn er machte sich aus meinem Arm frei. Sein Gesicht war nun blaß. Er wies zur Tür und schrie nun wieder: »Hinaus! Alle beide!« Er atmete tief durch und sprach etwas ruhiger weiter. »Schafirow, halte dich bereit, in dieser Angelegenheit befragt zu werden. Solltest du die Stadt ohne meine Erlaubnis verlassen, so sollst du dafür mit dem Leben bezahlen, ebenso wie deine Familie. Und du …«, sagte er und zeigte mit seiner dubina drohend auf Alexander Danilowitsch: »Menschikow! Du bist auf dieselbe Weise auf diese Welt gekommen, auf die du lebst! Deine Mutter hat dich in Sünde und Schande wie eine läufige Hündin geworfen! Du lebst in Sünde und in Schande! Du sollst in Sünde und in Schande sterben, vorher aber wirst du wieder dort enden, wo du begonnen hast!«
     
    Am selben Abend noch bat Darja Menschikowa darum, mich zu sehen.
    Ich saß mit meinen Damen und Wilhelm Mons am Kamin und lauschte der warmen Stimme meiner Vorleserin. Das Buch, aus dem sie las, war reichlich schlüpfrig. Meine jüngeren Damen kicherten verlegen, während sie doch Wilhelm Mons unter ihren gesenkten Lidern und den langen, seidigen Wimpern auffordernde Blicke zuwarfen. Die Krankheit, die Peter sich vor Jahren geholt hatte, bereitete ihm nun so viele Schmerzen, daß er diese kleinen gofdamy nicht in die Dinge des Lebens einweihen konnte. In früheren Tagen hätten sie alle sein Lager geteilt! Sein Leiden hatte in den vergangenen Wochen neue Wege gefunden, ihn zu plagen: Er konnte nicht mehr frei sein Wasser abschlagen, und sein gequollener Leib peinigte ihn.
    Wilhelm Mons saß auf einem Kissen zu meinen Füßen und hatte seine langen, wohlgeformten Beine entspannt von sich gestreckt. Mir schien, daß er mit verträumten Augen in die Flammen sah und den Worten der Vorleserin nur halb zuhörte. Woran dachte er? Ich mußte mich zwingen, meine Augen von ihm zu lösen.
    In diesem Augenblick klopfte es leise an die Tür, und Ulrike Villebois kam in den Raum. Sie legte vertraulich ihre Hand auf meine bloße Schulter, als sie sich vorbeugte, um mir ins Ohr zu flüstern. Ich ließ es geschehen. Dabei war ich mir jedoch bewußt, daß der junge Mons uns dabei beobachtete.
    »Darja Menschikowa wartet auf Dich, meine Fürstin. Ich habe sie in das chinesische Kabinett geführt«, flüsterte Ulrike. Menschikow setzte in seinem Kampf ums Überleben seine stärkste Waffe ein: meine Erinnerung an meine Jugend und an die Freundschaft mit Darja in jenen Tagen. Wenn wir uns heute trafen, so naschten wir gezuckerte Veilchen oder schmiedeten Heiratspläne für unsere Kinder. Unter all

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