Die Zarin (German Edition)
weitere Umschweife. »Aber es ist an der Zeit, ihr einen neuen Staat zu geben, den Staat einer erwachsenen Zarewna. Wilhelm Mons soll ab sofort als Belohnung für seine Treue mein Kammerherr sein. Eine alte Frau wie ich ist über jeden Verdacht erhaben«, lachte ich und schlug Jaguschinski, der sich wieder verneigte, leicht mit meinem Fächer auf die Schulter. »Jetzt geh, der Zar wartet auf dich. Die dubina ist heute schon beschäftigt genug«, wies ich ihn an.
Ich sah Pawel Iwanowitsch nach, als er mehrmals dienernd davoneilte. Er hatte mir nicht widersprochen, als ich von meinem Alter und meinen Reizen sprach. Das schmerzte mehr, als ich angenommen hätte. Unsinn, entschied ich dann, und raffte meinen Rock. Wilhelm Mons könnte mein Sohn sein! Mein schöner, gesunder Sohn.
Ich hörte das Geschrei bereits, als ich noch fünfzig Schritt von Peters Gemächern entfernt war.
Es war ein milder Tag im Frühling: Am Morgen noch hatte ich die jungen Rosensträucher begutachtet, die zu Schiff für den Garten von Peterhof geschickt worden waren. Die frische Luft hatte meine Glieder und meinen Geist angenehm erfrischt, denn am gestrigen Abend hatte ich drei verschiedene Assembleen besucht. Peter hatte diese Art der Feiern vor kurzem eingeführt. Dreimal in jeder Woche mußten die Eigentümer großer Häuser zu einem Abend mit Speisen und Musikanten laden. Die Feste hatten Peters Ukas zufolge um vier Uhr am Nachmittag zu beginnen, und jedem Besucher von Rang stand es frei, nach Belieben zu kommen oder zu gehen. Zu Beginn mußte Peter die damy der alten Familien noch unter der Androhung von Strafe auf die Assembleen zwingen. Mittlerweile jedoch genossen sie diese ausgelassenen Feste, und manche, wie die schöne junge Prinzessin Tscherkasski, nutzten die Abende für jeglichen Unfug: Niemand trug so tief ausgeschnittene Kleider und so leuchtende Schminke wie sie.
An jenem Morgen drehte sich mein Kopf noch von den Humpen von starkem Burgunder, dem wilden Tanz und dem bitteren Tabak, dessen Rauchwolken die Luft in ihrem Palast schluckten. Der Lärm aus Peters Zimmer brachte mich jedoch vollends zu mir: Ich versuchte, die aufgebrachten Stimmen zu unterscheiden. Ja, das war Menschikow, ohne Zweifel. Dazwischen, der hohe, kreischende Ton, das konnte nur Peter Schafirow sein. Im Zorn klang der mächtige Mann nicht anders als ein aufgebrachtes Marktweib. Ich mußte lachen.
Nun jedoch hörte ich auch Peter schreien. Anscheinend hatte Alekascha es diesmal zu weit getrieben! Ich beschleunigte meinen Schritt, und die Posten vor den Türen zu seiner Zimmerflucht gaben mir hastig den Weg frei.
Auf dem Boden des Raumes wälzten sich der Prinz Menschikow und der Baron Schafirow: Sie schlugen aufeinander ein wie zwei Trunkenbolde in einem kabak : Ich sah die Fäuste fliegen und hörte Knochen krachen. Peter umkreiste die beiden Männer, als seien sie Kampfhähne auf einem Marktplatz in Georgien. Gerade, als ich in das Zimmer trat, hob er seine dubina und schlug auf Alexander Danilowitsch und Schafirow ein.
»Auseinander, Lumpenpack! Ihr Hunde! Was fällt Euch ein, Euch vor Eurem Zaren zu schlagen wie vor Euren Liebchen! Auseinander, sage ich! Na wartet, Euch stäube ich grün und blau!« brüllte er. Er holte wieder aus und prügelte mit wütenden Streichen auf seine beiden Freunde und Berater ein. Beide heulten vor Schmerz. Menschikow hatte Schafirow nun an den Haaren gepackt, und der Baron senkte dafür seine Zähne in Alekaschas Fleisch.
Ich warf mich aus Sorge um Peter in seinen Arm: » Starik ! Mein Zar! Hör doch auf! Was ist denn los?« rief ich und umfing ihn mit meinen Armen. Gleichzeitig versetzte ich Schafirow einen Fußtritt. Manchmal hatte es doch seine Vorteile, noch kräftiger als manch junger Soldat zu sein!
Menschikow setzte sich keuchend und hustend auf. Schafirow greinte leise und besah den Schaden an seinem reichbestickten Gewand. Ein Ärmel war zerrissen, die Perlen und Silberfäden lagen um ihn auf dem Boden verstreut, und seine Perücke hatte sich in wollige Flocken aufgelöst. Peter entspannte sich unter dem festen Griff meiner Arme und legte seinen Kopf auf das weiche Kissen meines Busens. Er seufzte und schluchzte. Ich hatte Mühe dabei, seine Worte zu verstehen: »Beide sind Lügner und Betrüger, Katerinuschka. Gott sei Dank bist du bei mir! Dir kann ich immer vertrauen. Menschikow gehört dreimal aufs Rad geflochten, für all seine Lügen und Betrügereien.«
Ich sah Alexander Danilowitsch an. Der
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