Die Zarin (German Edition)
einer der wenigen, die schon wieder saßen und sich nicht mehr begeistert um den Zaren drängten. Peter und Menschikow umarmten einander gerade innig, fuhren einander durch die Haare, klopften sich auf die Schultern und sogen gegenseitig ihren Geruch ein. Die Runde erhob die Krüge und Gläser auf sie, und die Schwestern Arsenjewa stimmten Hochrufe an.
»Lang lebe der Zar!«
»Auf den Sieger von Marienburg! Nieder mit allem schwedischen Gewürm!«
»Auf ein glorreiches Ende des Nordischen Krieges!«
Scheremetjew verschluckte sich fast an seinem Bier, und ich klopfte ihm freundlich auf den Rücken. Dann sagte ich scherzhaft: »Ich weiß, wer der wahre Sieger von Marienburg ist, Boris Petrowitsch, mach’ dir keine Sorgen.«
Er antwortete nichts, sondern verzog nur bitter den Mund. »Leider stehe ich nicht so in der Gunst des Zaren wie Menschikow! Da kann ich zehn entscheidende Schlachten gewinnen, Alexander Danilowitsch bleibt sein Bruder und sein Herz!« Seine Stimme klang aufrichtig traurig. »Ich bin nicht sein Freund, sondern nur ein guter Feldmarschall. Du ahnst nicht, wie hart das ist. Dabei liebe ich den Zaren von ganzem Herzen und will wirklich mein Leben für das seine geben!«
Ich verspürte Mitleid mit ihm. »Woher kennen Peter und Menschikow sich? Stammt Menschikow aus einer adligen Familie, die dem Zaren nahesteht?«
Scheremetjew lachte auf, aber es klang bitter. »Das ist der beste Scherz, den ich seit langem gehört habe, Martha! Menschikow … nein, keiner weiß so recht, woher er kommt. Er verwischt all seine Spuren, und je höher er steigt, um so härter sind die Strafen auf jede Anspielung über seine niedere Geburt. Er ist ein Emporkömmling ersten Ranges!«
»Aber woher kennen sich die beiden? Wo kann man denn einen Zaren einfach so treffen und für sich gewinnen?« fragte ich.
»In Zeiten wie unseren ist alles möglich! Bauern und Fremde gewinnen heute das Herz des Zaren einfacher als russische Adlige, sage ich dir! Womöglich heiratet der Zar noch eine dieser Metzen und Menschikow die andere!« Er zeigte mit dem Kinn auf die Gruppe vor uns. Das Fest ging weiter, und sowohl Peter als auch Menschikow hatten die Arsenjewas bis zum Gürtel entkleidet. Ich beobachte, wie Menschikow seinen Mund um die großen, tiefrosa Brustwarzen von Warwara Arsenjewa legte und daran sog. Ich wandte einen Augenblick den Kopf ab: Sie erinnerten mich an die Lust, die ich in Johannes’ Armen verspürt hatte. Als ich wieder hinsah, hatte sich Peter Darja über die Schulter gelegt und ging unter den anfeuernden Rufen der Runde ins Nachbarzelt. Menschikow grinste und zog Warwara hinter sich her.
Ich schenkte erst Scheremetjew und dann mir selbst Bier nach. Nun konnten wir in Ruhe sprechen. Er zog die Augenbrauen hoch: »Du bist erstaunlich, Martha! Trinkst jeden Abend wie ein Pferd, feierst wie ein Mann und bist noch immer genauso schön und heiter wie jeden Tag! Hoffentlich bewahrt sich das über die Jahre! Der Mann, der dich mal bekommt, wird das zu schätzen wissen!«
Ja, wenn mich noch einer will, dachte ich bei mir im stillen, lächelte Scheremetjew jedoch strahlend an und hob mein Glas auf sein Wohl.
Er prostete mir zu und fuhr dann mit seiner Erzählung über Menschikow fort: »Es gibt mehrere Gerüchte um die Herkunft von Alexander Danilowitsch. Eines Tages wird er bestimmt mehr Titel halten als wir alle hier zusammen! Er baut sich schon jetzt ein Reich im Reiche auf. Man will wissen, daß er ein Pastetenverkäufer in der Straße von Preobraschenskoje war. Peter und er sollen sich bei einer Wirtshausrauferei kennengelernt haben. Andere wieder meinen, sein Vater sei ein Söldner im Regiment Peters gewesen, und er hätte seinen Sohn mit dem jungen Zaren, der dort als Bombardier übte, zusammengesteckt. Wie dem auch sei, die beiden sind unzertrennlich!« Hier machte Scheremetjew eine Geste, bei der er Zeige- und Mittelfinger übereinanderlegte. »Menschikow läßt ungestraft jedem die Peitsche geben, der sich über seine niedere Geburt lustig macht. Erst letzte Woche war es ein Prinz Lopuchin, der daran glauben mußte. Und die Lopuchins sind die Familie der armen Zariza Jewdokija! Er hat komplette Narrenfreiheit …, und sie sind immer, immer beisammen«, erklärte er mir.
»Immer? Ich habe gehört, daß …«, unterbrach ich ihn neugierig.
»Was?« Er wandte sich scharf zu mir. »Paß auf deine hübschen Ohren auf, daß du nicht eines Tages mehr hörst, als dir lieb ist, und sie dir abgeschnitten
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