Die Zarin (German Edition)
getuscht – so geschminkt war es fast unmöglich, zu erkennen, wie ein Gesicht wirklich aussah! Dennoch, Anna Menschikowa war stets freundlich zu allen, auserlesen gekleidet, und sie hielt sich sehr gerade, so daß ihr Korsett ihr bißchen Busen zuverlässig nach oben schob. Sie war eine kluge Frau.
An einem Abend im September saß ich mit den drei Frauen unter einem schweren Vorhang beisammen. Ich war nun einen Monat im Lager der Russen, und es machte sich Unruhe unter den Männern breit: Der Abzug sollte unmittelbar bevorstehen. Es war an jenem Abend nur eine kleine Runde versammelt, und ausnahmsweise sah ich auch Scheremetjew unter den Gästen. Anna Menschikowa wischte sich nach einer Scheibe Gänseleberpastete in goldener Kruste und einer Rebe Trauben sorgfältig die Finger ab, nahm einen Schluck von dem schweren Bier und vergewisserte sich schnell über die Schulter, daß uns niemand belauschte: »Habt ihr schon gehört? Anna Mons …«, begann sie dann geheimnisvoll.
Beide Schwestern Arsenjewa reckten die Hälse nach vorne, wie um ja kein Wort zu verpassen. »Nein, was? Sag schon? Was ist mit ihr? Hat Peter sie satt?« erkundigten sie sich begierig.
Anna nickte und kam noch näher, so daß wir ihr Flüstern verstehen konnten. Ich roch ihr schweres Parfum, das sie sich angeblich aus Persien kommen ließ. »Ja! Angeblich, so hat Alexander Danilowitsch mir erzählt, ist Peter ihrer überdrüssig! Er sucht einen Ehemann für sie! Einen Ehemann!« Sie und die beiden Schwestern fingen an zu lachen und klatschten in die Hände. »Wenn sie noch einer will! Sie hat Peter in all den Jahren kein Kind geboren! Unfruchtbar wie ein alter Tundrastrauch, die Deutsche! Und angeblich versucht schon ihre jüngere Schwester in das Bett des Zaren zu klettern! Diese Metze! Von ihrem Vater zur Hurerei angehalten!«
Nun mischte ich mich ein. »Ach, Anna Mons hat noch eine Schwester?«
»Eine? Diese Mons’ sind schlimmer als die Karnickel in der deutschen Vorstadt von Moskau! Wahrscheinlich konnte der deutsche Boden nicht mehr so viele Kinder ernähren, so daß sie nach Moskau gekommen sind! Aber ein Kind ist schöner als das andere, das muß man dem alten Mons, dem schlauen Fuchs, lassen! Dabei ist er häßlich wie die Nacht! Er hat Anna dem Zaren als junges Mädchen auf dem Silbertablett serviert! Gäbe es Anna, ihre goldenen Schenkel und ihre goldenen Haare nicht, so wäre die Zariza Jewdokija noch im terem des Kreml! Anna hat ihm alles beigebracht, was ein junger Mann so wissen muß. Und nun schickt er sie fort! Und ihre Schwester ist noch schöner als sie – man kann sich an ihren Wangenknochen stoßen, und ihre Haare leuchten heller als die Sonne! Sie hat einen Busen wie eine Amme, und ihre Taille ist so schlank wie mein Arm.«
Darja verzog mißmutig das Gesicht bei dieser Beschreibung.
»Oh, nein! Du mußt etwas unternehmen!« rief Warwara Arsenjewa aus. »Sie darf Peter nicht in ihre Fänge bekommen! Du weißt doch, daß …« Sie unterbrach sich jedoch im letzten Augenblick und fächelte sich schnell etwas Luft zu, um ihren Mund zu verdecken.
Anna Menschikowa sah sie warnend an und zuckte dann die Schultern. »Ich habe schon versucht, ihre Kammerfrau zu bestechen. Die von Anna Mons war leichter herumzubekommen, sage ich euch. An der Kinderlosigkeit der Deutschen bin ich nicht ganz unschuldig!«
Alle drei Mädchen lachten wieder, und unser Kreis löste sich nur auf, weil Menschikow die Schwestern Arsenjewa herrisch zu sich rief. Er nahm jedes der schönen Mädchen auf einen seiner starken Schenkel, streifte ihnen die Kleider von den Schultern, griff ihnen in ihre Ausschnitte an die vollen Brü ste und schaukelte sie froh im Takt des Trinkgesanges.
Anna Menschikowa blieb neben mir sitzen und schwieg.
Menschikow schob nun Warwara und Darja zueinander hin, und die beiden Schwestern begannen, sich unter dem Johlen und dem Singen der Anwesenden zu küssen. Der Schein der Kerzen tauchte die Frauen in ein weiches Licht, und die Seide ihrer Kleider glänzte sanft und verführerisch bei jeder Bewegung. Ich konnte die Lust in den Augen der umsitzenden Männer erkennen.
»Anna, sie sind doch Schwestern!« flüsterte ich erstaunt.
Sie zuckte nur die Schultern: »Die Arsenjewas sind dafür bekannt, wild und zügellos zu sein. Sie haben auch schon das Bett ihrer Brüder und, so sagt man, auch das ihres Vaters geteilt …, es gibt nichts, was ihnen fremd ist. Deshalb gefallen sie meinem Bruder so gut … und auch dem
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