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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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streunender Söldner gesichtet worden waren. Die Garde, die der besorgte Menschikow ihm nachschickte, soll er mit Steinen beworfen und mit Flüchen verjagt haben. Im Wald wählte er die passenden, biegsamen und doch starken jungen Bäume aus und schlug sie persönlich auf die rechte Länge hin zu. Das fertige Holzhaus war um einiges länger als breit und ohne besondere Bequemlichkeit eingerichtet: Es hatte eine Diele und zwei Zimmer. In der Mitte der langen Wand des Wohnraums war ein großer Kamin eingelassen, in dem fast zu jeder Jahreszeit ein Feuer den Raum wärmte. Über die Feuerstelle konnte man auch einen Kessel hängen, um darin Kohlsuppe oder kascha zu kochen. Neben einem der Fenster aus Schiefer stand ein Tisch mit zwei Bänken, die Peter ebenfalls selbst gezimmert hatte. Hatte er Hobel und Holz in der Hand, kamen ihm die besten Ideen, so sagte er: Nichts schreckte Peters Minister mehr als eine Nacht, die er an der Hobelbank verbracht hatte.
    Außerdem befanden sich noch mehrere bemalte und mit Schieferplatten und Eisenbändern beschlagene Truhen im Raum: Sie waren für Hausrat, Peters Instrumente und dann auch für meine Kleider gedacht. An der Wand hing eine Karte von Europa. Unter ihr stand auf einem Sockel in der Ecke eine mit Smaragden und Perlen verzierte Ikone des Erlösers, der Wunderkräfte nachgesagt wurden. Nur das breite Bett mit einer festen Roßhaarmatratze und weichen Felldecken neben einem schmalen Kachelofen schien bequem zu sein. Das Haus war die Wurzel, aus der das neue Rom, das neue Jerusalem mit seinen steinernen Palästen in allen Farben des Regenbogens und des gebrannten Zuckers entsprang. Wie konnte Peter mit dieser Hütte zufrieden sein und dennoch seine Baumeister zu immer prachtvolleren Gebäuden antreiben?
    Für ihn hatte der Beginn nichts mit dem Ende, wie es ihm vorschwebte, gemein. Für sich selber begehrte er wenig, für den Ruhm Rußlands alles.
    Seine Hütte war der erste Palast des Zaren in seiner neugegründeten Stadt: Und was für eine Stadt das werden sollte! Sie sollte die Bewunderung der Herrscher des Westens erwecken und die Stellung Rußlands als Macht in Europa festigen. Er ließ aus Persien Orangen- und Zitronenbäume senden, und in den Gärten wurden Minze, Rosen und Kampfer angepflanzt, denn kein gewöhnlicher Gestank sollte den Zauber seines Paradieses stören! Ich erinnere mich an seinen Wutanfall, als ein Bote die ersten Orangenblüten aus den Gärten des Sommerpalastes zu uns ins Feld sandte. Der Gärtner hatte versucht, sie in Olivenöl frisch zu halten: Das gesamte Bündel stank bis zum Himmel nach Fäulnis, als es bei uns ankam. Peter zerbrach vor Zorn seinen Stock auf dem Rücken des Boten und gab den Befehl, ihm von nun an jede Blüte einzeln in Tabakblätter gewickelt zu senden.
    Die Straßen und Prospekte der neuen Stadt wurden von Kienspan und Kerzen in Laternen erhellt – deren Glas in Menschikows Fabriken hergestellt wurde –, so daß sich herumtreibendes Gesindel von den polizia -Garden sofort gesichtet wurde. Auf den Hauptstraßen der Stadt und den wichtigsten Brük ken zu den vierzig Inseln ließ Peter sogenannte schlagbaumy errichten – Barrieren, die von Soldaten bewacht wurden. Nur Ärzte auf dem Weg zu einem Kranken und andere wichtige oder angekündigte Personen ließ man ohne Passierschein vorbei.
    Sah ich aber nun in dieser Nacht aus dem Fenster, so wußte ich, daß sich hinter den ersten Häuserreihen voll edler Größe und Glanz schon die ersten bescheideneren Holzhäuser befanden, hinter ihnen dann die isby aus Lehm, Stroh und Moos und dann schließlich die Zelte aus vom Wind zerrissenen und spärlich gewachsten Planen der Allerärmsten im Garten Eden des Nordens. So spiegelt deine Stadt letztendlich doch deine Welt wider, ob du es wolltest oder nicht, Peter.
    Aber die Stadt wuchs und erwachte zum Leben in diesen ersten zwanzig Jahren des neuen Jahrhunderts! Ich dachte mit einem Mal an unsere unsinnige Freude, als schon wenige Monate nach der Gründung der Stadt eine Fregatte aus Holland an Lust Eland Anker warf. Sie dümpelte auf den bereits eisigen Wassern, und der Besuch des holländischen Kapitäns, der Peters Männern Salz und Wein für den Winter lieferte, war der Anlaß zu einer Reihe von Festen, deren Wildheit sogar Menschikow beeindruckte, und die Holländer zutiefst erschreckte. Peter hieß sie einen Humpen nach dem anderen trinken, um sie dann am Morgen zu einer Bootsfahrt auf stürmischen Wassern einzuladen. Wir alle

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