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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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war mir vertraut, und unsere Schicksale waren unlösbar miteinander verbunden. Menschikow unterbrach die Stille, indem er mit einem Ruck das Fenster öffnete, sich etwas Schnee von dem breit geschwungenen Fensterbrett griff und sich damit kräftig einige Male über sein von der Trunkenheit und dem Schlaf gerötetes Gesicht rieb.
    »Brr, kalt! – Das tut gut! Sieht aus, als ob wir einen kräftigen Sturm erwarten können! Auf den Winter in den Sümpfen von St. Petersburg ist doch noch immer Verlaß!«
    Er grinste mich aufmunternd an und war nun hellwach. Es blies kalt in Peters kleine Bibliothek, und ich ließ das Fenster wieder in sein Schloß einrasten. Menschikow ging zum Kamin, schob mit einem Haken die Asche und die glühenden Reste des Feuers zurecht und legte dann geschickt einige grobe Scheite über Kreuz auf. Die Flammen leckten rasch über das frische, teils noch feuchte Holz. Nach den ersten, bitteren Rauchschwaden duftete es angenehm frisch im Raum wie ein Wald im Winter. Menschikow drehte sich zu mir und zog fragend die Augenbrauen hoch.
    »Wo bleibt denn der Rat? Ist Ostermann, der Lump, wieder unauffindbar bei seiner neuesten Geliebten? Da stellt man einen Pfarrerssohn an, und dann ist er nur unter den Röcken der Weiber zu finden! Und Tolstoi? Der wieselt doch sonst immer um Peters Tür!«
    Ich zuckte statt einer Antwort nur hilflos mit den Schultern.
    »Wen hast du nach ihnen geschickt? Und wann? Bei Gott, Golizyn liegt vielleicht noch in seinem Bett und schnarcht, Katharina!« fragte er nun dringlich. Er mußte die Verzweiflung auf meinem Gesicht erkannt haben. Ich war von seinem Ton beleidigt. Ich hatte getan, was mir im Augenblick seiner Trunkenheit am besten erschienen war. Daß die Lage sich nun geändert hatte, dafür konnte ich nichts!
    »Wenn du nicht so besoffen wärst, hätte ich den kleinen Soldaten nicht schik ken müssen! Wer weiß, jetzt treibt er vielleicht schon mit durchgeschnittener Kehle auf der Newa, und wir können unseren Schlitten nach Sibirien packen, wenn wir nicht zu Fuß gehen müssen! Ich kann mir schon mal die Haare abrasieren lassen! Glaubst du, ich habe dafür gekämpft?«
    Ich hörte selber die Angst in meiner Stimme. Dennoch war ich erstaunt, als Menschikow mit zwei Schritten bei mir war. Er legte mir bestimmt seine schwere Hand auf den Mund.
    »Pst!« wisperte er. »Hörst du das?« Er zeigte mit dem Kopf hin zu der kleinen Tür, welche die Bibliothek mit Peters Sterbezimmer verband. Ich lauschte, hörte aber nichts. Seine Hand blieb auf meinem Mund, als ich den Kopf schüttelte.
    »Doch! Hör doch!« beharrte er.
    Ich lauschte wieder angestrengt. Tatsächlich – aus Peters Sterbezimmer kamen Laute, die bestimmt nicht von Blumentrost und seinen Quacksalbern stammten. Es klang wie das verzweifelte Weinen eines Mädchens. Menschikow ließ mich los, und ich bedeutete ihm, dort zu bleiben, wo er war. Ich schlich auf Zehenspitzen an die Tür und öffnete sie leise. Der Raum, in dem Peters leblose Hülle ruhte, lag noch immer in einem weichen Licht von Kerzen. Aber über dem warmen Duft des tropfenden Wachses breitete der Tod schon seinen faulig süßen Duft wie ein Laken aus. Das jedoch schien die Gestalt, die vor seinem Bett kniete, nicht zu stören: Ich sah nur ihren Rücken in einem Umhang aus dunklem, weichem Samt. Der Hinterkopf war von einer Kapuze bedeckt, und die schmalen Schultern krampften sich vor Weinen zusammen. Sie hielt Peters Hand in der ihren und küßte sie wieder und wieder.
    Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, wie die Ärzte erschrocken zusammenfuhren, als sie mich sahen. Sie hatten meinen Befehl mißachtet, niemanden zu dem toten Zaren zu lassen! Kalte Wut stieg in mir auf. Ich riß das Mädchen hoch und sah erstaunt in das verweinte und verquollene, aber dennoch sehr hübsche Gesicht, das blaß unter der Kapuze lag. Helle Augen – Peters Augen! – sahen mich trotzig und furchtlos an.
    Elisabeth! Weshalb war sie hier und nicht draußen im Gang bei ihrer Erzieherin und ihren beiden Schwestern? Vor Zorn schüttelte ich sie, so daß ihre Zähne aufeinanderschlugen und ihr der Rotz über das Kinn lief. Ihr Körper, der von weicher, angenehmer Plumpheit war, lag schwer in meinem Arm.
    »Mutter, hör auf!« rief sie dann und machte sich mit einem Ruck frei. Sie war ein kräftiges Mädchen, und der dunkle Samt ihres Umhanges verlieh ihrer Erscheinung etwas ungewohnt Herrschaftliches. Bisher war sie mir nur wie eine der Porzellanpuppen erschienen, mit denen

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