Die Zarin (German Edition)
Karaffe und schenkte erst Elisabeth und dann sich ein.
»Nein, Zarewna Elisabeth. Und wenn du einmal etwas älter bist und mehr gelebt hast, dann wird dir die Dummheit deiner Worte auch auffallen.«
Sie lachte. »Nein, Alexander Danilowitsch, ich hoffe, ich werde nie aufhören, mit jedem gutgebauten Mann in meiner Umgebung zu schlafen! Wenn ich meine Mutter wäre – bei dir wollte ich gewiß nicht zögern.« Sie wölbte die Lippen und spielte mit einer ihrer braunen Locken.
Ich erschrak. Was für ein gefährliches Paar Elisabeth und Menschikow abgeben würden! Bot sie ihm ihr Bett und ihren Namen gegen den Thron an? Wie sollte er dieser Versuchung widerstehen können? Oh Gott, konnte ich denn nicht einmal meinem eigenen Fleisch und Blut trauen? Bestand die Welt eines Herrschers nur noch aus Freund und Feind und nichts anderem mehr?
Ostermann, Jaguschinski, Tolstoi, so kommt doch!
Ich unterbrach die Spannung, die mit einem Mal zwischen den beiden herrschte, indem ich zwischen sie trat und mir auch Wein einschenkte.
»Elisabeth, Prinz Menschikow hat ganz recht: Wenn du etwas älter bist, wirst du lernen, daß es oft besser ist, nicht mit einem Mann zu schlafen, wenn er dir treu bleiben soll.«
Ich ließ die Worte in ihren Geist einsinken, während sie zweifelnd die Lippen kräuselte. »Wenn ich älter bin? Nun, was bleibt mir denn dann, außer vielen Falten? Natürlich will mich dann niemand mehr!« erwiderte sie frech.
Diese Antwort wollte ich nicht gehört haben. Die Flammen im Kamin tanzten vor meinen Augen auf und ab. Ihr Flackern betäubte mich, so daß ich den Blick abwandte. Ich richtete mich auf und erklärte Elisabeth: »Wenn du schon hier bist, dann sollst du auch wissen, was vorgeht: Die Dolgorukis werden versuchen, den kleinen Peter Alexejewitsch auf den Thron zu setzen. Wenn das geschieht, dann darf Menschikow im besten Fall den Schlitten nach Sibirien besteigen. Und wir ebenfalls.«
»Die Dolgorukis? Wassili Dolgoruki ist doch mein kum . Weshalb sollten mein Pate und seine Familie uns so etwas antun?« unterbrach sie mich.
»Wegen Alexej, natürlich«, sagte ich nur.
»Alexej – natürlich!« Ihre Augen wanderten wieder zu Menschikow hin, doch der sah nur in die Flammen und drehte sein Glas in der Hand. Ich war wider Willen beeindruckt – Elisabeth mußte gute Quellen haben: Als ihr Halbbruder starb, war sie noch fast ein Kind. Obwohl damals niemand von dem Grauen und dem Wahnsinn, der durch den Palast zog, verschont blieb.
»Menschikow in Sibirien! Ein Bild für die Götter!« Elisabeth lachte hell auf. »An der Grenze wirst du umsteigen müssen, Alexander Danilowitsch, von dem Schlitten mit dem Zobelfell in einen Karren mit Stroh, in das du dich gegen die Kälte einwühlen kannst! Wie eine Sau im Winter, fürwahr! Und dann? Vielleicht hast du genug Kopeken, um dir eine Axt zu kaufen. Mit dem Hausbauen mußt du dich dann aber beeilen …« Ihre Stimme klang hell und hart wie die Glöckchen, die sie um die Hälse ihrer Zwerge band, um sie in der Dunkelheit des Palastes zu finden.
Alexander Danilowitsch sah sie an, als wollte er sie schlagen.
Ich fuhr fort, als hätte ich nichts gehört: »Außerdem wird der kleine Zar seine Großmutter, Jewdokija Lopuchina aus dem Kloster holen. Er wird uns kahlscheren lassen und in ein Kloster sperren. Denn du, Elisabeth, bist dann nichts als eine uneheliche Tochter des Zaren, die er zu fürchten hat! Er wird St. Petersburg verlassen, und …«
»Nein! Das kann er nicht tun!« Sie fuhr auf und setzte ihr Glas hart auf den kleinen Tisch. Etwas Wein schwappte dabei über den Rand.
»Was kann er nicht tun?« fragte ich verwundert.
»St. Petersburg verlassen! Das wäre ja ein Verrat an allem, was Vater erstrebt hat! Als sollte er ein zweites Mal sterben …« Ihre Stimme erstarb.
Wieder kam mir der Gedanke: Was für ein seltsames Mädchen. Der Verrat an den Träumen des Vaters war schlimmer als der Gedanke an ein Leben im Klo ster!
»Nun, dann mußt du eben hier mit uns warten!« entschied ich für sie.
»Worauf?« Sie nahm noch einen Schluck Wein und sah wieder Menschikow an.
»Auf den Obersten Geheimen Rat«, informierte der sie knapp.
Sie lächelte spöttisch und ließ den bunten Schliff ihres Glases vor den Flammen tanzen. »Diese Schlafmützen! Die machen sich ja schon bei Drohungen in die Hose und fahren bei jedem Furz vor Schreck zusammen. Sagt nicht, daß auch Ostermann, der Dummkopf dabeiist! Den wollte ich als ersten verbannen! Vielleicht
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