Die Zarin (German Edition)
Tochter gerettet. In der Woche darauf verlobte ich sie sehr vorteilhaft mit einem Prinzen Lopuchin.
Elisabeth beruhigte sich in Menschikows Arm. Er schüttelte erstaunt den Kopf.
»Bist du jetzt ruhig, Zarewna?« fragte er zur Sicherheit, ehe er sie losließ. Sie nickte und rückte ihren Umhang zurecht, wie um etwas Würde zu bewahren. Sie warf stolz den Kopf nach hinten, so daß ihre Ohrringe aus Diamanten, die ihr fast bis zu den Schultern reichten, zornig im matten Schein der Kerzen aufblitzten.
»Komm mit uns nach nebenan, Elisabeth …«, sagte ich versöhnlich und nickte den Ärzten zu. Mein Befehl an sie galt noch immer: Niemand, niemand hatte dieses Zimmer zu betreten! Ich schob meine Tochter vor mir her in Peters kleine Bibliothek, ließ die Tür zum Sterbezimmer aber angelehnt. Vorsicht war besser als Nachsicht: Nicht daß so etwas noch einmal passierte!
Elisabeth ging mir mit trotzig durchgedrücktem Rücken in das warme Zimmer voraus. Das von Menschikow wieder entfachte Feuer brannte nun hell und warm. Elisabeth schenkte sich sofort von dem Wein in einen der bunten Becher aus venezianischem Glas ein. Sie trank gierig und schmatzte dabei mit den Lippen.
»Du trinkst ja wie eine Bäuerin!« sagte ich tadelnd.
»Du mußt das ja wissen!« kam ihre Antwort schnell und bestimmt.
Menschikow unterbrach uns. »Zarin! Elisabeth! Wir haben jetzt anderes zu tun! Hört mit diesen Albernheiten auf.«
Elisabeth verharrte in ihrer Bewegung und musterte Menschikow wie eine Katze die Maus vor dem Verspeisen. »Was hast du gesagt, Alexander Danilowitsch? Zarin?« Sie zog das Wort fragend in die Länge und sah mich dann an. Sie nickte und sprach wie zu sich selber weiter: »Natürlich! Das ist es! Dir ist das alles nicht genug! Nein, meine Mutter will mehr! Sie will selber diejenige welche sein! Und jetzt ist ja auch niemand mehr da, der verhindert, daß du möglicherweise einen dahergelaufenen Kammerherrn auf den Thron setzt …«
Ehe Menschikow mich zurückhalten konnte, schlug ich ihr so hart auf den Mund, daß ihre Lippe aufplatzte und blutete. Elisabeth schrie entsetzt auf und tastete sich vorsichtig über die Verletzung. Menschikow reichte ihr sein Spitzentuch. Einen Augenblick lang herrschte ein dumpfes Schweigen in dem Raum. Nur einige Scheite fielen knackend in sich zusammen, und der Wind um den Winterpalast heulte durch den Kamin. Elisabeth leckte sich die Wunde auf ihrer Lippe sauber und sah mich finster an. Dann stopfte sie sich Menschikows Tuch in den Ausschnitt und schälte sich aus ihrem Mantel. Ich sah, daß sie unter dem Samt ein reichbesticktes Kleid trug, das nach der Mode von Versailles sehr tief ausgeschnitten war. Die Seide hatte die Farbe von bitteren Orangen. Elisabeths Schultern sahen verführerisch aus einem Gewölk von weißer Spitze hervor, und ihr Ausschnitt war so tief, daß man fast ihre Brustwarzen erkennen konnte. Passend zu den langen Ohrgehängen trug sie an beiden Handgelenken das gleiche schwere Armband. Es glitzerte über und über von Diamanten und hatte in Smaragden und Rubinen eingelassen eine Blütenranke. Das Halsband, das tropfenförmig zwischen ihren Brüsten endete, war nach demselben Muster gearbeitet. Sie trug diese Steine, die zehntausend Seelen über drei Jahre hinweg ernährt hätten, so achtlos, als sei es falscher Tand. Sie rückte ihren Stuhl näher an das Feuer, schlüpfte nun auch aus den bestickten Seidenpantoffeln und legte ihre kleinen Füße in den zarten Spitzen strümpfen auf einen Schemel. Sie war gekleidet, als sei sie zu einem Fest unterwegs. Ich hatte schon lange die Aufsicht über ihr Kommen und Gehen verloren.
Jetzt, wo es schien, daß sie nicht selber herrschen konnte, war sie zufrieden, doch mit im Mittelpunkt des Geschehens zu sein: »Also, Menschikow, wie sieht dein Plan aus? Willst du nun über meine Mutter die Macht an dich reißen? Oder worauf wartet Ihr hier in diesem Raum? Die Wände atmen ja noch die Seele meines Vaters! Und an den Fenstern kleben die Ausdünstungen Eurer Angst! Nein, Mutter, das ist kein Tau! Daß Ihr beiden Euch nicht schämt! Teilst du eigentlich ihr Bett, ab und an?« Sie wandte sich an Alexander Danilowitsch und lächelte wie ein Engel bei diesen unverschämten Worten. Ich wollte sie ohrfeigen.
Menschikow wurde im Schein des Feuers rot vor Zorn. Statt einer scharfen Antwort sah er jedoch erst zu mir. Ich nickte. Er ließ sich wieder auf dem Stuhl nieder, auf dem er vorher geschlafen hatte. Er griff zu der
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