Die zauberhafte Tierhandlung Bd. 4 - Lotte und das Kaninchen-Wunder
Toast.«
»Er ist vielleicht nur nervös«, gab Lotte zu bedenken.
Sofie hob eine Augenbraue.
»Na gut, einverstanden, vielleicht ist er nicht das hellste Kaninchen aller Zeiten, aber er ist sehr süß.«
Sofie schnaubte. »Er ist ein flauschiger imbécile .«
»Aber mich nennst du auch so und zwar andauernd«, bemerkte Lotte. »Wenngleich nicht flauschig, versteht sich.«
Sofie lächelte sie an und zeigte dabei ihre sehr weißen Zähne. »Das tue ich«, sagte sie nickend.
Lotte war nicht sicher, was Sofie ihr damit zu verstehen geben wollte, vermutete aber, dass sie soeben beleidigt worden war. Es war schön, dass wieder alles beim Alten war.
Lotte hüpfte an diesem Morgen aus dem Laden, um Ruby zu treffen. Sie konnte es kaum erwarten, ihr zu erzählen, dass Sofie wieder da war und ihre Plakate einen großen Anteil daran gehabt hatten, die kleine Hündin nach Hause zu bringen, wenn auch nicht auf die Art, die sie erwartet hatten.
Sie tanzte auf die Brücke, und Ruby bemerkte ihre veränderte Laune sofort. »Ist sie wieder da?«, rief sie aus. »Hat sie jemand gefunden und dir zurückgebracht?«
Lotte schüttelte den Kopf. »Nein. Sie hat sich selbst zurückgebracht. Sie hat nämlich die Plakate gesehen und war völlig hin und weg von ihnen. Ich glaube, sie wäre vielleicht noch länger fortgeblieben, wenn sie nicht den Beweis dafür gehabt hätte, dass ich sie vermisste. Also danke ich dir vielmals!«
In der Schule zu sein war so anders, da Lotte das wundervolle Gefühl der Verbundenheit zu ihrer Vertrauten wieder spürte – auch wenn Sofie den ganzen Tag nichts anderes tat, als zu schlafen. Sie behauptete, ihre Abenteuer hätten sie erschöpft. Lotte war nicht sicher, wie es Sofie gelungen war, dermaßen vollständig zu verschwinden, sodass selbst Lotte sie nicht mehr hatte spüren können. Sie hatte versucht, Sofie danach zu fragen. Sie schien es allerdings nicht erklären zu können. Lotte war so froh, sie wiederzuhaben, dass sie nicht länger nachbohrte. Irgendwann würde sie mit Ariadne darüber sprechen, aber in diesem Moment fühlte es sich so an, als sei ein verloren gegangener Teil von ihr zurück an Ort und Stelle und sie wieder vollständig. Oder beinah vollständig.
Ab und zu vermisste Lotte ihre Mutter ganz schrecklich, und seit ihrem Traum von Montagnacht hatte sie ununterbrochen an sie gedacht. Mit dem Kaninchen, um das sie sich sorgte, und Sofie, die verschwunden war, hatte es sich angefühlt, als müsse ihr der Schädel platzen. Jetzt, da sie wieder klarer denken konnte, verstand sie, wieso ihre Mutter ihr ständig in den Sinn gekommen war.
Was würde sie ihr erzählen? Und wie? Sie konnte sie nicht einfach anrufen und sagen, dass ihr Vater noch lebte. Ihre Mutter würde ihr nicht glauben, und selbst wenn sie es täte, wäre es sehr grausam, so zu handeln. Lotte brauchte sie bei sich, wenn sie es ihr sagte, brauchte es, sie umarmen zu können. Und sollte sie ihr ausgerechnet jetzt davon erzählen? Was, wenn der Traum unrecht hatte? Was, wenn es doch nur ein Traum gewesen war?
Lotte nagte an ihrem Stift und versuchte so zu gucken, als dächte sie über die Geschichte nach, die sie eigentlich schreiben sollte. Sie kritzelte ein paar Sätze in ihr Heft, um Mrs Laurence abzulenken.
Es gab nur eins, was helfen würde. Sie musste ihre Mutter sehen. Mum hatte versprochen, sie bald nach Paris einzuladen. Vielleicht konnten sie sich dort unterhalten. Lotte wünschte, sie wüsste, wie viel Zeit ihnen blieb, bis ihr Vater nach Hause kam – falls er überhaupt jemals kommen würde …
Ruby war nach der Schule mit ihrer Mutter verabredet, daher ging Lotte allein nach Hause. Sie grübelte immer noch über das Problem mit ihren Eltern nach. Irgendwie hatte sie das Gefühl, noch nicht alt genug für all das zu sein – als wären es Erwachsenen-Probleme. Wie man seinen tot geglaubten Vater seiner Mutter aufs Neue vorstellte war nichts, womit eine Elfjährige sich normalerweise herumschlagen musste. Sie wusste, dass ihre Mutter ihn wahnsinnig vermisst hatte, aber er war seit über sieben Jahren fort. Liebte sie ihn überhaupt noch? Lotte seufzte.
Freu dich, Lotte! , erklang Sofies Stimme so aufgeregt und geheimnisvoll in ihrem Kopf, dass Lotte auf der Stelle ihre Schritte beschleunigte.
Sofie? Was hast du angestellt? Was ist denn los?
Komm nach Hause und sieh selbst! , forderte Sofie sie fröhlich auf.
Neuankömmlinge , schien Sofies Geist zu sagen, und Lotte schluckte. War ihr Vater etwa schon
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