Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zauberlehrlinge

Die Zauberlehrlinge

Titel: Die Zauberlehrlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
Vom Netzwerk:
gefühlt, als er Hewitt schlug, doch er wusste, dass dieses Gefühl nicht anhalten würde. Als er über den Parkplatz ging, sah er einen halben Ziegelstein am Fuß der niedrigen Begrenzungsmauer, aus der er gefallen war. Er nahm ihn in die linke Hand, da die rechte sich jetzt gegen jede Bewegung wehrte, und drehte sich nach dem Bürogebäude um. In einem der oberen Fenster sah er John, der ins Telefon sprach und ängstlich zu ihm hinunterschaute. Harry traf seinen Blick und lächelte, dann zielte er und schleuderte den Stein gegen die Windschutzscheibe von Hewitts Jaguar. Er traf genau in die Mitte. Das Geräusch von zersplitterndem Glas übertönte manches andere, das in Harrys Herz und Kopf zerbrach. Aber nur für eine Sekunde, für den Bruchteil einer Sekunde.

53- Kapitel
    Zehn Tage später um die Mittagszeit saß Harry auf den Stufen der Friedhofskapelle, ungefähr in der kalten, grünen Mitte des Friedhofs von Kensal Green. Mit der linken Hand hielt er eine Zigarette, denn die rechte, eingegipst bis auf die obersten Fingerglieder und die Daumenspitze, lag auf seinem Knie. Der Daumen war in einer Stellung fixiert, als wolle er Anhalter spielen. Doch hier gab es keine Autos anzuhalten. Harry hätte auch kein Ziel nennen können. Das dem Ende zugehende Jahr und das langsame, lautlose Zerfallen der Gräber und Särge ringsum entsprachen genau seiner Stimmung.
    Der Tod, das begriff er nach dem seines eigenen Sohnes, war kein bloßes Erlöschen, sondern ein Ausradieren. Die zerbrochenen Säulen standen noch, die hohlen Helme gaben noch immer ein Echo, doch die Tausende von Namen - wie die Menschen, die sie einst bezeichnet hatten - verschwanden früher oder später unter dem Leichentuch völligen Vergessens. Die Denkmäler überdauerten die Erinnerung. Sie allein blieben in diesem versteinerten Wald von den Zeremonien der Sterblichkeit.
    Er trat auf einer tieferen Stufe die Zigarette mit dem Absatz aus und machte sich daran, sich eine neue anzuzünden, was wegen des gebrochenen Daumens etwas kompliziert war. Dabei dachte er an den Tag, an dem er froh das Feuerzeug würde wegwerfen und zu den ehrlichen alten Streichhölzern zurückkehren können.
    Weit entfernt auf der mittleren Allee von der Kapelle zum Osttor des Friedhofs tauchte eine Gestalt auf. Er nahm an, dass jemand den Friedhof besichtigte, denn es gab immer viel mehr Neugierige als Trauernde, wenn auch an kalten Tagen wie diesem beide selten waren. Merkwürdigerweise schien die Gestalt sich nicht für die Grabmäler zu interessieren. Er oder sie kam mit gleichmäßigen Schritten auf Harry zu, schaute weder nach rechts noch links und wurde irgendwo in der Nähe von John St. Johns griechischem Monument als Frau erkennbar. Eine zierliche, schlanke Frau in Jeans und dunkler Jacke mit Kapuze, die irgendeinen Beutel über der Schulter trug. Als sie an George Birkbecks Mausoleum vorbei war, wusste Harry, wer sie war.
    »Hallo, Harry«, sagte Donna, als sie den Fuß der Treppe erreichte. »Schön, dich zu sehen.« Sie schenkte ihm ein schwaches Lächeln, das wegen seiner Unsicherheit irgendwie rührend war. »Darf ich mich zu dir setzen?«
    »Du bist herzlich eingeladen.«
    »Deine Vermieterin hat mir gesagt, wo du zu finden bist.« Sie stieg zu ihm hoch und setzte sich neben ihn. »Sie hat gesagt, dass du in letzter Zeit ziemlich oft hier bist.«
    »Na ja, weißt du, hier hat keiner was gegen griechischen Tabak. Kann man heutzutage nicht von vielen Orten sagen.«
    »Mach keine Witze jetzt.« Sie drückte durch den Mantelärmel seinen Arm. »Ich weiß, wie dir zumute sein muss.«
    »Aber darum geht es doch, Donna. Ich fühle mich wie ein Witz. Oder wie das untere Ende von einem Witz. Ich laufe hier herum und versuche, die komische Seite des Ganzen zu sehen. Aber gelacht wird hier anscheinend nicht. Jede Menge weinende Engel und kein einziger, der grinst.«
    »Ich bin gekommen, so schnell ich konnte.«
    »Aber erst, als es sicher war, hoffe ich.«
    »Hast du denn in den Zeitungen nichts darüber gelesen?«
    »Mrs. Tandy sagte, da gäbe es was. Aber ich konnte mich einfach nicht damit befassen. Was haben sie gemacht? Die beschichte in ein Riesentheater verwandelt - mit Lazenby als Bösewicht des Stücks und David als ehrlosem Kleindarsteller?«
    »So ungefähr. Die Washington Post hat es ganz groß aufgemacht. Nicht alle Medien haben mitgemacht. Globescope ist geschlossen, und Lazenby ist abgetaucht. Welche Ironie wenn man bedenkt, dass wir gerade wieder aufgetaucht

Weitere Kostenlose Bücher