Die Zauberlehrlinge
haben so etwas erwähnt. Sagen Sie mir nur noch einmal, wo er stattfindet.«
»Im Chasse-Maree in der Beak Street.«
»Ach ja, natürlich. Vielen Dank. Wir gehen gleich hin.«
»Was fällt Ihnen ein, Harry?« sagte Mrs. Tandy, als der junge Mann davoneilte. »Wir sind keine Freunde von den Brancasters. Es wäre äußerst peinlich, wenn das herauskommt. Und bei einem Mann von Slades Talenten wird es bestimmt herauskommen.«
»Ich weiß«, sagte Harry und zwinkerte ihr zu. »Tatsächlich rechne ich darauf.«
9. Kapitel
Harry nahm es Mrs. Tandy nicht übel, dass sie auf den Rest der Abendunterhaltung verzichtete. Das ungebetene Erscheinen bei einem Mitternachtsimbiss hatte nicht zu seiner ursprünglichen Einladung gehört. Außerdem war ihre Schlafenszeit längst überschritten, Neptun würde auf seine Sardinen warten, und insgeheim zog Harry es ohnehin vor, allein zu gehen.
Nachdem er Mrs. Tandy in ein Taxi gesetzt hatte, schlenderte er gemächlich in die Beak Street, weil er annahm, Slade werde sich duschen und umkleiden, bevor er zu seinen Gästen stieß. Das Chasse-Maree erwies sich als eines von Sohos exklusiveren und weniger grell erleuchteten Restaurants. Es war ein französisches Fischlokal mit blauen Wänden, in dem alles, von den Lampenschirmen bis zu den Aschenbechern, die Form von Seemuscheln hatte. Slades Gäste waren leicht zu erkennen. Es handelte sich um ein Dutzend Personen in Abendgarderobe, die die Bar mit Beschlag belegt hatten und denen freigebig Champagner ausgeschenkt wurde. Harry brauchte nur zu nicken und einem Kellner zuzulächeln, um in die Gastfreundschaft einbezogen zu werden.
»Eine seiner besten Vorstellungen, finden Sie nicht?« sagte eine große, langnasige Brünette mit Schlafzimmerblick, während sie an ihrer Zigarette zog. »Ich meine, er war heute Abend wirklich da.«
»Ich habe ihn heute zum ersten Mal auf der Bühne gesehen. War eine ziemliche Offenbarung.«
»Weiß Gott. Übrigens, ich bin Tina.«
»Und ich bin Harry.«
»Woher kennen Sie Adam, Harry?«
»Das ist kompliziert. Aber nicht so kompliziert wie die höheren Dimensionen. Ich bin nicht sicher, dass ich begreife, was das überhaupt ist.«
»Erkläre Harry die höheren Dimensionen, Malcolm«, sagte Tina, indem sie einen lauten jungen Mann aus dem Gespräch der benachbarten Gruppe zog.
»Sie kennen sich damit nicht aus ?«sagte Malcolm und warf das Haar aus der Stirn.
»Sie denn?«
»Nicht wie Adam, aber ich begreife das Gesamtbild.«
»Und wie sieht das aus?«
»Nun ja, es ist eine zusätzliche Art zu sehen, nicht? Wie Teile des Spektrums, die gewöhnliche Menschen nicht erkennen können. Als wenn wir nur in zwei Dimensionen existierten, sozusagen nur Länge und Breite, aber nicht die Höhe sehen könnten. Wir würden nicht verstehen, was passiert, wenn etwas aufgehoben und wieder abgesetzt würde, statt nur vorwärts oder rückwärts geschoben zu werden. Es würde verschwinden und anderswo wieder auftauchen wie durch Zauberei.«
»Wie der Reifen um das Tischbein?«
»Ja. Und die Räder. Adam sagt, es wäre ganz einfach, alle diese Speichen ineinander zu fädeln, wenn man nur weiß, wie es geht. Wie Kartenmischen. Und genau das tut er eben.«
»Natürlich«, warf ein rotgesichtiger, dicklicher Mann ein, der mitgehört hatte, »bei Malcolm macht es keinen Unterschied, ob er sich in zwei oder drei oder siebzehn verdammten Dimensionen befindet.« Er klapste Malcolm mit dem Theaterprogramm auf den Kopf. »Die Dinge haben trotzdem die Neigung, aus großer Höhe auf ihn zu fallen.« Bei seinem brüllenden Gelächter schienen die Wände des Restaurants zu erzittern. Dann stellte er mit gnädiger Plötzlichkeit das Lachen ein.
Der Grund war die Ankunft von Adam Slade, Magier und Hyperdimensionalist. In schwarzem Anzug und rotem Hemd mit offenem Kragen trat er lässig durch die Tür, ohne sich sichtbar um einen großen Auftritt zu bemühen. Trotzdem zog er sofort alle Blicke auf sich. Hoch- und Willkommensrufe wurden laut. Die Menge an der Bar teilte sich vor ihm wie das Rote Meer vor den Stämmen Israels, und zu seiner großen Überraschung fand sich Harry neben diesem menschlichen Phänomen wieder.
»Brillante Vorstellung, Adam«, sagte Tina und trat näher, um ihn zu küssen.
»Danke, Schätzchen.« Slade trank einen Schluck geeistes Mineralwasser.
»Völlig kaputt?«
»Ja. Aber hier unter meinen Freunden werde ich mich schnell wieder erholen.« Jetzt bemerkte er Harry und runzelte leicht die Stirn.
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