Die zehn besten Tage meines Lebens: Roman (German Edition)
dessen Bruder vor kurzem nach Kalifornien gezogen ist, um Schriftsteller zu werden. Hier ist seine Nummer«, sagte Pen und stopfte mir einen Zettel in die andere Tasche.
Mit anderen Worten, mein Plan war nicht besonders gut durchdacht, aber ich konnte es verständlicherweise kaum erwarten, Dodge – äh, ich meine, Philadelphia City – den Rücken zu kehren.
Immerhin kam Dana zum Gate, um mich und meinen Krempel abzuholen – in ihrem nutzlos gewordenen Brautjungfernkleid, was ich im Gegensatz zu ihr nicht besonders lustig fand.
»Jetzt hat es wenigstens doch noch seinen großen Auftritt gehabt«, flachste sie.
Da musste ich dann doch lachen.
Wer in Los Angeles lebt, muss auf eines gefasst sein: Wenn man dort nur einen einzigen Menschen kennt (in meinem Fall Dana), dann ist es zweifellos die einsamste Stadt der Welt. Ich weiß, ich habe etwas weiter vorn gepredigt, man bräuchte nur einen guten Freund im Leben, aber das bedeutet nicht, dass man sich nicht manchmal wünscht, man hätte mehr als den einen.
Erinnern Sie sich an den 80er-Jahre-Hit Nobody Walks in L. A. ? Sie glauben gar nicht, wie viel Wahrheit darin steckt. In Los Angeles geht tatsächlich absolut niemand zu Fuß, und wer es trotzdem wagt, den beäugen die Autofahrer hinter ihren Windschutzscheiben ungefähr so freundlich wie einen Aussätzigen. Sie fahren noch nicht einmal langsamer, wenn man gestolpert ist und einem die Lebensmittel aus den Einkaufstüten über die Bordsteinkante auf die Straße kullern. Dann ist man gezwungen, wie der Frosch im Frogger-Videospiel zwischen den Autos hin und her zu hopsen, um seinen Sechserpack Diät-Cola wieder einzusammeln. Das Maximum an Hilfsbereitschaft, das mir in einer solchen Situation zuteil wurde, war der gute Rat einer gestressten Hausfrau und Mutter, die mir von ihrem Geländewagen aus zubrüllte: »Runter von der Straße, Mädel, bevor du noch unter die Räder kommst!« Tja, ich hätte wohl auf sie hören sollen.
In den ersten Wochen bemühte ich mich redlich, Kontakte zu knüpfen. Leider kann man in L. A. nicht einfach alleine losziehen und sich darauf verlassen, über kurz oder lang jemanden kennenzulernen, selbst wenn man immer ein und dieselbe Lokalität frequentiert. Es gibt zwar jede Menge Clubs und Bars, aber es ist unüblich, allein auszugehen.
»Man muss mit einer Gruppe losziehen«, erklärte mir Dana.
»Und wie soll ich je eine Gruppe Leute kennenlernen, wenn ich nicht ausgehe?«
Sie seufzte. »Tja, ich schätze, das ist ungefähr so wie mit der Henne und dem Ei. Ein Kausalitätsproblem.«
Das glamouröse Leben, das ich mir ausgemalt hatte, entpuppte sich als stinknormal, ja einsam. Ich bekam keinen einzigen Filmstar zu Gesicht.
Und erst die Jobsuche! Ein einziges Fiasko. Dana war als Assistentin eines Produzenten für die Paramount Studios tätig. Ich ging davon aus, dass ich ohne größere Schwierigkeiten einen ähnlichen Job finden würde. Schließlich war ich nur wegen Früchte des Zorns nach Kalifornien gezogen, das würde diese Filmleute garantiert beeindrucken. Dana organisierte ein vielversprechendes Vorstellungsgespräch für mich, bei dem ich sogleich alle meine Lieblingsfilme herunterratterte. Doch das interessierte den betreffenden Produzenten herzlich wenig.
»Gut, gut, aber wie sind Ihre Computerkenntnisse? Word? Excel …?«
»Exzellent, ja, ja«, unterbrach ich ihn großspurig. »Wann soll ich anfangen?«
Dummerweise sollte mein Vater Recht behalten. Ich konnte tatsächlich nicht groß mit irgendwelchen Fähigkeiten aufwarten. Ich taugte weder zur Aushilfssekretärin noch zur Rezeptionistin, weil ich nicht tippen konnte und mit der simpelsten Telefonanlage überfordert war. Ich arbeitete einen Tag für eine Anwaltskanzlei und wurde gebeten, nicht wiederzukommen, weil ich fünf Kartons Papier verschwendet hatte, bis ich endlich kapiert hatte, wie der Fotokopierer funktioniert. Ich hatte mich im Laufe des Tages so oft an irgendwelchen Papierkanten geschnitten, dass ich das gesamte Geld, das ich verdient hatte, für Pflaster ausgab.
Einen Monat lang weinte ich mich jeden Abend in den Schlaf.
Ich mietete eine Wohnung und kaufte ein Auto; einen gebrauchten Saab, der Getriebeöl und Bremsflüssigkeit verlor und keine Rückbank hatte. Damit war das Geld, das mir Mom zugesteckt hatte, auf achthundert Dollar zusammengeschrumpft. Zum ersten Mal in meinem Leben musste ich jeden Dollar zweimal umdrehen. Ich ernährte mich nur noch von chinesischen Instant-Nudelgerichten und
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