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Die zehn besten Tage meines Lebens: Roman (German Edition)

Die zehn besten Tage meines Lebens: Roman (German Edition)

Titel: Die zehn besten Tage meines Lebens: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adena Halpern
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wünschen!
    Mom hätte sich heute Abend blendend amüsiert. Eigentlich hat nur noch sie gefehlt.
    Plötzlich sehe ich das Haus meiner Eltern deutlich vor mir. Oh, wow, es funktioniert!
    Es ist alles dunkel. Bestimmt schlafen die beiden. Ich befinde mich vor ihrer Schlafzimmertür. Konzentrier dich. Denk an nichts. Ich trete ein, spüre den kühlen Holzfußboden unter meinen Füßen. Oh, Gott. Ich kann nicht fassen, dass ich tatsächlich hier bin. Nicht daran denken, Alex. Konzentrier dich.
    Ich sehe sie! Sie schlafen. Dad liegt auf der Seite unter seiner Decke. Mom liegt auf der Decke, in ihrem weißen Satinmorgenmantel mit den roten Röschen. Sie muss eingeschlafen sein, ehe sie sich zudecken konnte. Das passiert ihr häufig. Auf ihrem Nachttisch liegen einige Tablettenröhrchen. Ist sie erkältet? Daneben steht ein Glas Wasser und das Foto von meiner Uni-Abschlussfeier. Ich hasse dieses Bild. Warum hat sie ausgerechnet das auf ihrem Nachttisch stehen?
    Sie trägt meine rosa Häschenpantoffeln. Wo hat sie die denn aufgestöbert?
    Sie sieht traurig aus, selbst im Schlaf. Ob ich sie wohl berühren, umarmen kann?
    Ich gehe langsam zu ihrer Seite des Bettes und lege ihr eine Hand auf die Schulter. Sie legt ihre Hand auf meine.
    »Mom?«, flüstere ich.
    »Alex!«, schreit sie und erwacht.
    Ich fahre zusammen und bin unvermittelt wieder im Gästezimmer meiner Großeltern.
    Na, toll. Jetzt ist sie meinetwegen noch trauriger als vorher.
    Ich muss zurück zu ihr, um sie zu beruhigen und ihr zu versichern, dass es mir gut geht.
    »Konzentier dich«, befehle ich mir selbst.
    Vergebens. Ich bleibe, wo ich bin.
    Aber immerhin habe ich es kurz geschafft. Ich werde allmählich besser.
    »Sei stark«, flüstere ich in der Hoffnung, irgendwie zu ihr durchzudringen. »Ich komme bald zurück.« Hoffentlich kann sie mich hören!
    »Ich schwöre dir, sie war hier«, höre ich sie plötzlich schluchzen. Sehen kann ich sie allerdings nicht. Höchst eigenartig. Wie kann das sein?
    »Ist ja gut«, höre ich meinen Dad antworten. »Du hast bloß geträumt.«
    »Nein, ich bin bei euch!«, rufe ich im Geiste aus vollem Hals, obwohl ich noch immer nichts sehen kann. »Ich bin hier! Mir geht es gut!«
    »Schlaf jetzt, Liebling«, höre ich meinen Dad sagen. »Nimm noch eine Tablette, das wird dich beruhigen.«
    »Nein, Bill, ich will keine Tablette mehr nehmen. Ich schwöre dir, ich habe sie gehört. ›Mom‹, hat sie gesagt und mir die Hand auf die Schulter gelegt. Sie war hier!«, schluchzt meine Mutter.
    »Es war nur ein Traum«, flüstert Dad, um sie zu beruhigen. »Ein sehr schöner, realistischer vielleicht, aber trotzdem nur ein Traum.«
    Ich halte das nicht mehr aus. Ich springe aus dem Bett und stürme ins Schlafzimmer meiner Großeltern.
    »Grandmom!«
    Sie schlägt die Augen auf. »Was ist denn los, Schätzchen?«
    »Darf ich heute Nacht bei euch im Bett schlafen?«
    »Aber natürlich, Schätzchen.« Sie rückt ein Stück zur Seite. »Ist irgendetwas passiert?«
    Ich will sie nicht beunruhigen, also schwindle ich: »Die Matratze in eurem Gästezimmer ist so unbequem.«
    »Leg dich ruhig zu mir. Ich werde gleich morgen eine neue herbeiwünschen«, murmelt sie. Wir nehmen die Löffelchen-Position ein, und im Nu ist sie wieder eingeschlummert.
    Zum ersten Mal in meinem Leben – dem vor und dem nach dem Tod – bin ich froh, dass meine Großmutter schnarcht. Früher nervte mich das, wenn ich bei ihr schlief, doch jetzt empfinde ich es als ungemein tröstlich.
    Die Stimmen in meinem Kopf sind verstummt. Hoffentlich konnte Mom wieder einschlafen.
    Ich selbst bin nach wie vor weit davon entfernt.
    Ist es nicht seltsam, wie oft wir im Laufe eines Tages jemanden fragen, wie es ihm geht, ohne uns wirklich für die Antwort zu interessieren? Die Frage ist eine solche Selbstverständlichkeit geworden, dass wir ohne nachzudenken in neun von zehn Fällen mit »gut, danke« antworten. Zum Beispiel morgens am Kiosk: »Wie geht’s?«, fragt der Verkäufer, und man antwortet: »Gut, danke, was bekommen Sie für das US Weekly ?« Bei Freunden und Verwandten wissen wir normalerweise, dass es ihnen gut geht, weil wir vor ein paar Wochen oder auch erst gestern mit ihnen gesprochen haben. Wir können ziemlich sicher sein, dass ihnen in der Zwischenzeit nichts zugestoßen ist, und unser sechster Sinn sagt uns, dass sie auch nicht im Lotto gewonnen haben. Und trotzdem fragen wir sie stets: »Wie geht’s?«
    Und jetzt stellen Sie sich vor, Sie hätten

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