Die zehn besten Tage meines Lebens: Roman (German Edition)
ohne solche Tricks auskommt.«
Alice schüttelt den Kopf. »Keine Frau kommt ohne Tricks aus. Jedenfalls haben wir danach eine Woche lang kein Wort miteinander geredet.«
»Maxine schwört bis heute, sie hätte dir wenigstens einen Petticoat übrig gelassen.«
»Hat sie aber nicht.«
»Und wann habt ihr euch wieder versöhnt?«, erkundige ich mich.
»Soweit ich mich erinnere, am Tag vor meiner Sweet-Sixteen-Party. Sie hat mir geholfen, ein Kleid für die Party zu kaufen.«
»Ach, richtig.«
Das Gelächter verebbt. Die tragischen Ereignisse nach der Party passen nicht zu unserer fröhlichen Unterhaltung.
»Sie hatte schreckliche Gewissensbisse«, flüstert Grandmom und ergreift Alices Hand.
»Ich weiß«, sagt Alice. »Ich habe versucht, sie wissen zu lassen, dass ich ihr nicht mehr böse bin.«
Sie seufzt.
Es herrscht eine Weile Stille.
Ich habe beschlossen, heute bei meinen Großeltern zu übernachten. Es ist so gemütlich hier. Falls ich wirklich in den vierten Himmel muss, hat bestimmt niemand etwas dagegen, wenn ich hin und wieder eine Nacht hier verbringe, oder? Das kann doch nicht gegen die Vorschriften verstoßen. Wir umarmen Alice zum Abschied, dann bringe ich sie zu ihrem Auto. Ich muss sagen, ich bin echt froh, dass ich sie kennen gelernt und nach all den Jahren ihre Seite der Geschichte gehört habe. Mom scheint tatsächlich im Unrecht zu sein, so seltsam mir das auch vorkommt.
»Danke für deinen Besuch«, sage ich und umarme Alice noch einmal.
»Es war großartig«, strahlt sie. »Deine Mutter hat mir oft gefehlt in all den Jahren. Bestellst du ihr Grüße von mir, wenn du sie das nächste Mal besuchst oder ihr im Traum erscheinst?«
»Offen gesagt habe ich es noch immer nicht geschafft. Ich versuche, mich zu konzentrieren, wie du es mir geraten hast, aber weiter als bis zum Fußende ihres Bettes bin ich noch nicht gekommen.«
»Tatsächlich?« Sie reißt die Augen auf. »Du bist deinen Eltern noch nie im Traum erschienen und warst auch noch nicht wieder auf der Erde?«
»Nein, und das nervt mich ganz schön.«
Sie überlegt.
»Weißt du was? Ich glaube, du bist noch nicht so weit«, sagt sie und nickt. »Ja, das ist die Erklärung, ganz bestimmt. Du bist noch nicht stark genug.«
»Und wie werde ich stark genug?«
»Tja, wie gesagt … Es muss von innen kommen. Du kannst erst zur Erde zurückkehren, wenn du mit dir selbst im Reinen bist. Im Moment blockiert dich noch irgendetwas. Deine Seele und dein Geist sind noch nicht im Einklang.«
»Und wie bringe ich meine Seele und meinen Geist in Einklang?«
»Probier es heute Abend noch einmal. Denk an nichts. Versuch, die Probleme, die du hier oben hast, zu verdrängen – Adam, den Aufsatz, den siebten Himmel. Vergiss alles. Dann klappt es vielleicht.«
»Okay, ich werd’s versuchen.«
Sie steigt in den Wagen, dreht den Zündschlüssel und kurbelt die Fensterscheibe hinunter.
»Und falls es wieder nicht klappt, dann wissen wir, dass du noch nicht so weit bist. Vielleicht musst du erst einiges für dich selbst klären, ehe du deine Eltern besuchen und ihnen helfen kannst.«
»Vielleicht«, sage ich nachdenklich.
»Also, wie gesagt, versuch es und gib mir Bescheid, wie es gelaufen ist. Dann wissen wir, ob du schon so weit bist oder nicht.«
»Okay. Danke noch einmal.«
»Falls du deiner Mom heute tatsächlich im Traum erscheinst, dann sag ihr, als ich in den Himmel kam, war mein Schrank bis oben hin voll mit Petticoats. Sie wäre grün vor Neid geworden.«
»Okay.« Wir lachen. »Wird gemacht, versprochen.«
Später liege ich im Gästezimmer meiner Großeltern im Bett und kann nicht einschlafen. Ich muss immerzu an die Petticoat-Story denken. Ich kann mich nicht entsinnen, dass Mom je im Unrecht gewesen wäre. Wenn sie in den Himmel kommt, wird die Sache garantiert noch einmal aufgerollt, schon der guten alten Zeiten wegen. Wer könnte die restlichen Petticoats genommen haben, wenn es stimmt, dass meine Mutter welche dagelassen hat, wie sie steif und fest behauptet?
»An ihrer Version ist eindeutig etwas faul«, denke ich und schließe die Augen. »Das wird meine erste Frage an sie sein, wenn sie in den Himmel kommt.« Der Gedanke, wieder mit meiner Familie vereint zu sein, ist irgendwie tröstlich.
Es ist echt idyllisch hier. Das Rauschen des Meeres (oder was auch immer das für ein Gewässer vor meinem Fenster ist) wirkt sehr beruhigend. Dass ich nicht selbst auf die Idee gekommen bin, mir ein Meer hinter dem Haus zu
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