Die zehn Fragen: Roman
Büro. „Haben Sie das Collier bei sich?"
„Ja." Sie holte es aus ihrer Tasche, und der Geschäftsführer begann es zu inspizieren. „Das ist ein sehr schönes Schmuckstück."
Die Witwe lächelte. „Ich weiß." Wieviel er wohl anbieten würde? Zehn Millionen, fünfzehn, vielleicht sogar zwanzig Millionen Dollar?
Der Juwelier holte eine Lupe hervor und besah sich das
Schmuckstück aus der Nähe und in der Vergrößerung. „Sehr
schöne Steine", sagte er.
Die Witwe strahlte.
„Auch die Fassung ist wunderschön."
Die Witwe strahlte noch mehr.
„Ein wirklich wunderschönes Collier."
Die Witwe strahlte unermeßlich. „Sie würden es also kaufen?" „O ja, gewiß."
Sie entspannte sich. Endlich hatte sie ihr Vermögen. „Ich biete Ihnen", sagte der Juwelier, „...eine Million dafür." „Was?"
Er blickte auf. „Doch, das ist es wert. Eine Million ist dieses schöne Schmuckstück durchaus wert."
„Da kann etwas nicht stimmen", sagte die Witwe. „Es muß sehr viel mehr wert sein."
„Bedaure, aber genausoviel ist es wert. Eine Million." Die Witwe strahlte nicht mehr. Das Herz sank ihr bis in die Knie. Sie hatte einen Bären für eine Million gekauft, und genausoviel war der Schmuck wert! Der ganze Aufwand und alle Mühe für nichts!
„Wollen Sie das Halsband nun verkaufen oder nicht?" fragte der Juwelier.
Sie hatte keine Wahl. Sie mußte ja diesen blöden Bären bezahlen! „Gut; ich verkaufe es."
Am nächsten Morgen kam sie zum Zoo und überreichte dem Direktor einen Scheck über eine Million Dollar.
„Das ist sehr großzügig von Ihnen", sagte der Zoodirektor. „Sind Sie auch wirklich sicher, daß Sie Ihren Bären doch nicht mitnehmen wollen?"
„Was täte ich denn mit einem Bären?" sagte sie.
Sie saßen auf der Terrasse beim Essen.
„So eine Zeitverschwendung!" sagte die Witwe.
„Der ganze Aufwand für nichts und wieder nichts."
„Ach, für nichts war es nicht", widersprach David.
„Na, was denn?" fuhr ihn die Witwe böse an. „Da habe ich eine Million für dieses Halsband bekommen und die ganze Summe im Zoo abliefern müssen."
„Eben", sagte David. „Das war doch der Sinn der ganzen Sache. Ich habe heute morgen noch einmal mit dem Zoodirektor gesprochen. Er benutzt das Geld zum Ankauf weiterer Tiere und für neue Gehege und Tierpfleger. Deinetwegen kann unser Zoo jetzt einer der schönsten im ganzen Land werden. Da solltest du stolz darauf sein!"
Alle starrten David an.
„Wissen Sie, David", sagte der Anwalt, „es gibt etwas, das Sie einfach nicht verstehen. Nämlich, was die Welt anstachelt und vorantreibt: die Gier."
10. KAPITEL
Es war wieder Montag vormittag, Zeit für Samuel Stone, seinen nächsten Fernsehauftritt zu absolvieren und seinen Erben versteckte Hinweise auf einen weiteren Teil seines gigantischen Vermögens zu geben. Die Witwe, der Neffe, der Anwalt und David saßen auf ihren angestammten Plätzen und warteten darauf, daß es an- ging. Der Butler kam herein und legte das nächste Band in den Videorecorder. „Sind Sie bereit?" fragte er. „Wir sind bereit."
Das Band lief. Das Gesicht Samuel Stones erschien auf dem Bildschirm. „Da sind wir wieder", sagte er.
„Alle habt ihr gedacht, wenn ich erst mal tot bin, habt ihr endlich ein für allemal Ruhe vor mir. Wie ihr seht, ganz so einfach ist das nicht. Am liebsten wäre es mir ja gewesen, ich hätte mein ganzes Geld mit ins Grab nehmen können. Keiner von euch verdient auch nur einen Teil davon. Aber ich habe nun einmal keine anderen Hinterbliebenen, denen ich es hinterlassen könnte."
Sein Blick richtete sich auf den Stuhl, auf dem die Witwe zu sitzen hatte. „Wenn du mein Geld findest, verschleuderst du es nur für alberne Kleider und wahrscheinlich eine blöde Jacht." Womit er den Nagel auf den Kopf traf, was die tatsächlichen Absichten seiner Witwe anging.
Dann wandte er sich der Stelle zu, wo der Neffe immer saß. „Und so wie ich dich kenne, würdest du mein schönes Geld auch nur für schnelle Frauen und schnelle Autos hinauswerfen."
Womit er ebenfalls den Nagel auf den Kopf traf, soweit es die tatsächlichen Absichten seines Neffen betraf.
Und weiter wanderte sein Blick zum Platz des Anwalts. „Und was Sie betrifft, mein Lieber, haben Sie doch im ganzen Leben noch keinen Dollar ehrlich verdient. Sie versuchen, denke ich mir, soviel zu ergattern, wie es nur geht, um sich davon dann zum Eindruck schinden auf Ihre Klienten ein prächtiges Bürogebäude zu bauen."
Genau das waren ja auch
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