Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)
Krone, die offensichtlich glühend heiß war.
Mit schnellen Bewegungen zerriss Raphael die schweren, eisernen Ketten, die den Mann an seinem Platz gehalten hatten und fing ihn auf, als er kraftlos nach vorn sank. Vorsichtig näherte Lilith sich und blickte auf einen Mann, der nun in Raphaels Armen so erbarmungswürdig wirkte, dass sie kaum Worte zu finden vermochte.
„Wer bist du?“, fragte sie leise. „Wer hat dir das angetan?“
Der Mann röchelte schwach, doch langsam begannen seine Lebensgeister wiederzukehren.
„Ein Engel namens Asrael“, keuchte er. „Mein… mein Name ist James.“
„Was hast du verbrochen, dass er dich so strafte, James?“, fragte Lilith betroffen.
Einen Augenblick lang fiel es James schwer, den Sinn dieser Worte zu erfassen, dann jedoch sammelte er sich.
„Es war meine Strafe dafür, dass ich in all den Jahren in der Hölle nicht gelernt habe, Menschen über Reichtümer zu stellen.“
„Wie meinst du das?“, fragte Lilith, doch Raphael fiel ihr ungeduldig ins Wort.
„Du hast Eleanor gesehen!“, fuhr er dazwischen.
James nickte schwach.
„Sie hat mich aus dem Flammensee gezogen. Und aus Dank habe ich sie an Asrael verraten. Es geschah mir recht, dass mir dieser Verrat so entlohnt wurde.“
„Was weißt du über ihren Weg?“, hakte Raphael ruhelos nach.
„Sie ist auf der Suche nach jemandem“, erwiderte James. Er atmete tief durch und fand endlich die Kraft sich hinzusetzen. „Sie hat es uns erzählt. Sie sucht jemanden namens Raphael!“
Wortlos starrten Raphael und Lilith einander an.
„Sie sucht… mich?“, stammelte Raphael.
„Ihr seid Raphael?“, fragte James ungläubig. „Lady Eleanor sucht einen Engel?“
Raphael nickte stumm.
„Dann solltet ihr euch beeilen sie zu finden!“, stieß James aufgeregt hervor, während er sich unbewusst an Raphaels Arm festkrallte. „Sie wollen sie jagen. Ich habe es gehört, bevor man mich hierherbrachte. Sie wird ihres Lebens nicht sicher sein, wenn ihr sie nicht vor denen findet!“
„Ich weiß!“, entgegnete Raphael zerknirscht. „Aber unsere Chancen stehen nicht gut. Wir sind nur zu zweit und die andere Seite hat einen Vorsprung, den wir kaum aufholen können.“
„Vielleicht nicht! Lady Eleanor hat magische Kräfte. Das Böse kann ihr nichts anhaben. Vielleicht kann sie sich die anderen lange genug vom Leib halten, bis ihr bei ihr seid!“
„Wir wissen, dass das Böse ihr hier nichts anhaben kann“, warf Lilith unwirsch ein. „Aber das bewahrt sie nur vor den Akoloythoi und den bösen Naturgewalten der Hölle. Einem Engel könnte sie trotzdem nicht widerstehen. Wir müssten schon wissen, wohin sie sich auf ihrer Suche wenden wird.“
James hielt einen Augenblick inne. „Soweit ich weiß, will sie direkt ins Zentrum der Hölle“, sagte er schließlich.
Raphael und Lilith erstarrten bei diesen Worten.
„Warum?“, hauchte Raphael tonlos. „Was treibt sie dort hin?“
„Sie glaubt, dass ihr dort seid“, erwiderte James, während er Raphael aufmerksam ansah. „Sie hat uns erzählt, dass ihr von jemandem namens Lilith festgehalten werdet.“
James‘ Blick huschte unsicher zu Lilith hinüber. „Sie war der Meinung, dass ihr euch im Toten Palast dieser Lilith aufhalten würdet und sie glaubte diesen Palast im Zentrum der Hölle zu finden…“, fuhr er zögernd fort, doch seine Worte erstarben, als er den entsetzten Ausdruck in Liliths Gesicht wahrnahm.
Ganz plötzlich wurde es geradezu gefährlich ruhig.
„Das glaubt sie also von mir…“, flüsterte Lilith. „Für so verdorben hält sie mich, dass sie mich als das Zentrum allen Übels wahrnimmt. Als jene, die allein in der Mitte der Hölle lebt…“
Von einem Augenblick auf den anderen schien die Welt vollkommen still geworden zu sein. Kein einziges Geräusch durchbrach die eisige und schmerzhafte Stille der Hölle und weder Raphael noch James wagten ein Wort zu sagen. Betroffen starrten sie zu Lilith hinüber, die sich wie in Trance erhoben hatte und zutiefst verletzt vor ihnen stand. Auch Raphael erhob sich. In einer hilflosen Geste streckte er die Arme aus und ließ sie doch sofort wieder fallen, als Lilith sich selbst mit den Armen umfing als fröre sie.
„Ich bin selbst schuld“, stieß sie schließlich mit einem freudlosen Lachen hervor. Dann lief die erste Träne über ihr Gesicht. Mit einer fahrigen Geste wischte Lilith sich die Träne von der Wange und blickte verwirrt auf ihre feucht glänzende
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