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Die zehnte Kammer

Die zehnte Kammer

Titel: Die zehnte Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Cooper
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gekämpft hatte. Nach seinem Tod hatte seine Familie sein Haus dem Staat vermacht mit der Auflage, dort ein Museum zum Andenken der Résistance in dieser Gegend einzurichten. Das Museum, dessen Grundstock das Privatarchiv der Familie Queuille bildete, war 1982 im Beisein von François Mitterrand und Jacques Chirac feierlich eröffnet worden und hatte seinen Bestand im Lauf der Jahre durch diverse Schenkungen und Nachlässe bedeutend verbreitern können.
    Die Suche ging langsam voran. Luc war beeindruckt, wie akribisch die Résistance ihre Aktivitäten dokumentiert hatte. Viele ihrer lokalen Führer hatten ihre Pläne und Aktionen ausführlich festgehalten – vielleicht aus militärischem Pflichtgefühl, vielleicht aus dem Bedürfnis heraus, ihre Taten für die Nachwelt festzuhalten.
    In den ersten zwanzig Kisten war kein Hinweis auf den Überfall von Ruac zu finden. Während Chantelle Kiste 21 durchsah, nahm sich Luc Kiste 22 vor, hörte aber mit seiner Suche sofort auf, als Chantelle ausrief: »Das hier sieht ziemlich vielversprechend aus!« Sie kam zu ihm herüber und legte ein dünnes Schulheft vor ihn auf den Schreibtisch.
    Das Heft trug das Siegel des Lycée Général in Périgueux aus dem Jahr 1991. Offenbar hatte ein Schüler eine Projektarbeit über den Krieg geschrieben und dafür unter anderem einen ehemaligen Résistancekämpfer interviewt. Der Mann, ein gewisser Claude Benestebe, war zur Zeit des Gesprächs Ende sechzig gewesen und hatte dem Schüler vom Überfall auf einen deutschen Zug erzählt, der sich eineinhalb Kilometer vom Bahnhof von Les Eyzies entfernt ereignet hatte. Schon nach der ersten Seite hatte Luc den Eindruck, dass es sich dabei um den Überfall handeln musste, um den es ihm ging. Während Chantelle den Deckel des nächsten Kartons abnahm, las er fasziniert weiter.
     
    »Im Jahr 1944 war ich gerade mal siebzehn Jahre alt, aber schon ziemlich erwachsen und sehr abenteuerlustig. Durch den Krieg war meine Kindheit abrupt zu Ende. All die albernen Dinge, die die Jugendlichen heute so machen – na ja, ich habe so was alles nicht getan. Keine Spiele, keine Partys. Natürlich hatte ich etliche Techtelmechtel mit Mädchen und die eine oder andere Liebesaffäre, aber sie waren alle geprägt von unserem Kampf ums Überleben und für die Freiheit. Man konnte nie wissen, ob man den nächsten Tag noch erleben würde. Ständig konnten einen die Boches grundlos mitten aus einer Menschenmenge herauszerren und erschießen. Als wir im Juni 1944 den Über fall auf den Zug von der Banque de Paris planten, rechnete keiner von uns damit, ihn zu überleben.
    Aber es war ein wichtiger Überfall, den wir unbedingt machen mussten. Den Tipp, dass eine Menge Bargeld und Nazibeute von der Zweigstelle in Lyon nach Bordeaux geschickt werden sollten, hatten wir zwei Wochen vorher von einem Bankangestellten in Lyon bekommen. Der Zug sollte aus sechs geschlossenen, randvoll gepackten Güterwaggons bestehen, also mussten wir für genügend Transportmöglichkeiten sorgen, um das Zeug wegzubringen. In zwei Waggons sollten geraubte Gemälde und andere Kunstgegenstände aus Polen sein, die sich Hermann Göring für seine persönliche Sammlung reserviert hatte.
    Na, ich kann Ihnen sagen, dass es eine verdammt große Operation war. Die Maquisards waren nicht gerade perfekt organisiert, um es mal vorsichtig auszudrücken. Es gab zwar eine zentrale Koordination ihrer Aktionen, für die General de Gaulle und seine Gruppe in Algier verantwortlich waren, aber alles in allem war die Résistance doch eine eher lokale Angelegenheit, deren Aktionen häufig improvisiert waren. Hinzu kam, dass sich die einzelnen Partisanengruppen nicht immer grün waren. Manche waren rechtsgerichtete Nationalisten, andere Kommunisten, wieder andere Anarchisten und so weiter. Meine Gruppe, die den Codenamen Squad 46 trug, operierte von Neuvic aus. Wir hassten die Boches. Das war unsere ganze Philosophie. Aber für den Überfall auf diesen Zug musste ein gutes Dutzend Partisanengruppen zusammenarbeiten, schließlich brauchten wir hundert Männer, viele LKWs, Sprengstoff und Maschinengewehre. Der genaue Platz des Überfalls befand sich zwischen Les Eyzies und Ruac, deshalb mussten wir Squad 70, die Partisanengruppe von Ruac, mit einbeziehen, obwohl der niemand so recht vertraute. Sie kämpften zwar unter der Flagge der Résistance, aber alle wussten, dass sie in die eigene Tasche wirtschafteten. Sie waren vielleicht die größten Diebe in Frankreich nach

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