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Die zehnte Kammer

Die zehnte Kammer

Titel: Die zehnte Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Cooper
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Gedanken von sich und kletterte weiter nach unten.
    Auf dem Felsvorsprung zog er in der Dunkelheit seinen Schutzanzug an, schloss die schwere Tür auf und betätigte den Lichtstrahler. Sofort tauchten die Halogenstrahler die Höhle in ein grelles Licht.
    Langsam ging Luc in den hinteren Teil der Höhle zu seinem Lieblingsplatz, der zehnten Kammer. Jetzt, wo die Fledermäuse alle weg waren, war es in der Höhle vollkommen still.
    In der letzten Kammer angekommen, stellte er sich direkt vor den lebensgroßen Vogelmann im Wildgerstenfeld und zündete mit seinem Feuerzeug eine Kerze an, die er extra für diesen Zweck mitgebracht hatte. Dann schaltete er das Licht aus und betrachtete die Höhle in dem Licht, in dem sie ihre ersten Bewohner auch gesehen hatten. Auch Zvi Alon hatte die Höhle so erleben wollen, aber es war ihm nicht mehr vergönnt gewesen. Der Mann hatte den richtigen Instinkt gehabt.
    Im flackernden Licht der Kerzenflamme schienen die Halme der Gerste auf einmal zu schwanken wie in einer Brise, und der Schnabel des Vogelmannes wirkte, als würde er sich bewegen.
    Wollte er ihm etwas sagen? Luc strengte sich an, um ihn zu hören, aber die Höhle blieb stumm. Was würde ich nicht alles geben, dachte er, wenn ich nur neben dem Mann stehen könnte, der diese Bilder gemalt hat? Wie gerne würde ich ihm zusehen, mit ihm reden und versuchen, ihn zu verstehen.
    Er blies die Kerze aus und verharrte einige Augenblicke schweigend in der tiefsten Dunkelheit, die ihn in seinem Leben jemals umgeben hatte.

SIEBZEHN
    Höhle von Ruac,
30000 Jahre vor unserer Zeitrechnung
    Der erste Speer prallte an der dicken Haut des Tieres ab, ohne es zu verletzen.
    Die Jäger bildeten einen Kreis.
    Das Tier war ein stattliches Männchen. Dass sie es geschafft hatten, es von der restlichen Herde zu isolieren, war in ihren Augen ein Zeichen dafür, dass es bereit war, geopfert zu werden. Wahrscheinlich hatte es am Vorabend ihre Gesänge gehört und sich freiwillig für dieses Schicksal entschieden.
    Allerdings war es zu edel, um kampflos unterzugehen. Tals einziger Bruder, Nago, rückte vor, um ihm den Todesstoß zu versetzen. Sie hatten den Wisent am Ufer des Flusses gestellt. Seine Hufe versanken im weichen Untergrund, während er dampfenden Atem aus seinen Nüstern blies. Er hatte nun keine andere Wahl mehr. Er musste angreifen.
    So sterben Männer, dachte Tal.
    Mit seinen siebzehn Jahren war er der Größte in seinem Klan, was seine Brüder neidisch machte. Von jeher war der Größte im Klan immer der Anführer geworden. Jetzt war das noch ihr Vater, aber er hatte ein gebrochenes Bein, das nicht heilen wollte. Er roch nach faulendem Fleisch, und er stöhnte nachts im Schlaf. Bald würde es einen neuen Anführer geben. Jedes Mitglied des Klans wusste, dass einem der Brüder etwas zustoßen würde. Der kleinere Nago konnte nicht ihr Anführer werden, solange der größere Tal am Leben war, und der jüngere Tal konnte nicht Anführer werden, solange der ältere Nago am Leben war.
    Das verstieß gegen die Tradition.
    Nago versicherte sich, dass das hintere Ende seines Speers flach in der aus Knochen gefertigten Speerschleuder lag.
    Mit einem ohne Schleuder geworfenen Speer konnte ein Mann ein Rentier töten, aber um einen Wisent niederzustrecken, war mehr Kraft vonnöten. Der Klan tötete nur zwei Wisente pro Jahr, den einen, wie jetzt, in der warmen Jahreszeit und den anderen in der kalten. Das war ihr Recht, ihre heilige Berufung. Mehr als einen Wisent auf einmal zu töten war ihnen verboten.
    Ein Wisent gab ihnen ausreichend Fell, um ihre Winterkleidung zu flicken und neue für die Kinder zu fertigen. Ein Wisent gab ihnen genügend Knochen, um Grab-und Schälwerkzeuge sowie Speerschleudern daraus zu fertigen, und er versorgte sie mit genug Fleisch, um den ganzen Klan eine Weile satt zu machen, bevor es verdarb.
    Der Klan hatte Ehrfurcht vor dem Wisent, und der Wisent, davon waren sie überzeugt, hatte Ehrfurcht vor ihnen.
    Nago stieß den Todesschrei aus und riss den Arm mit der Speerschleuder nach vorn.
    Sein Speer traf den Wisent mitten in der Brust, direkt zwischen den Vorderbeinen, aber die Spitze aus Feuerstein musste auf einen Knochen getroffen sein, denn sie drang nicht tief ein.
    Brüllend vor Angst und Schmerz, machte das Tier mit gesenktem Kopf einen Satz nach vorn und rammte eines seiner spitzen Hörner in Nagos linke Schulter.
    Tals Ruf, mit dem er die anderen Männer zum Angriff aufforderte, wurde von Nagos Schreien

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