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Die zehnte Kammer

Die zehnte Kammer

Titel: Die zehnte Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Cooper
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der Abtei liefen uniformierte Gendarmen herum. Einer von ihnen erkannte Luc auf dem Parkplatz und begleitete ihn hinter die Absperrung. In einiger Entfernung sah Luc die Mönche, die auf dem Weg zur Kirche waren. Welches Stundengebet war gerade dran? Er hatte jedes Zeitgefühl verloren. Dann sah er, dass die Sonne unterging. Also Vesper.
    Luc hatte ein Gefühl, als würde er in einer trüben Flüssigkeit schweben. Er bekam nur schemenhaft mit, was um ihn herum geschah.
    Colonel Toucas stolzierte mit steifem Rücken vor der Abtei herum. Man sah ihm an, dass er die Ermittlungen leitete. Als Luc sich neben der nun kalten Feuerstelle zu ihm stellte, begann Toucas sofort, ihn mit den grauenvollen Ereignissen der vergangenen Nacht zu konfrontieren. So gleichmütig und selbstgefällig, wie der Polizist über diese Tragödie sprach, ging er Luc derartig auf die Nerven, dass er aus seinem seltsamen Schwebezustand schlagartig in die Wirklichkeit zurückkehrte. Während Toucas ihm bis ins kleinste Detail die Lage der Leichen und die Art ihrer Wunden beschrieb, konnte Luc ihm nicht ins Gesicht sehen und starrte stattdessen auf das Dienstgradabzeichen an seiner Uniform. Die Geschichte, die Toucas erzählte, war grauenvoll. Die drei männlichen Studenten und Jeremy waren im Bürocontainer mit Genickschüssen praktisch hingerichtet worden, während Elizabeth Coutard und die Studentin Marie vergewaltigt und erschossen in zwei verschiedenen Wohnwagen gefunden worden waren.
    Schließlich schaffte Luc es, Toucas’ fleischige Lippen anzusehen. »Was ist mit Pierre?«, fragte er so leise, dass es kaum mehr als ein Flüstern war.
    »Wer ist Pierre?«, fragte der Colonel.
    Nachdem Luc erklärt hatte, um wen es sich bei Pierre handelte und dass auch er sich am Sonntagabend noch im Camp aufgehalten hatte, fing Toucas sofort an, seine Männer anzubrüllen. Sie sollten das Camp gefälligst auf der Stelle noch einmal von oben bis unten auf den Kopf stellen. Luc nannte das Fabrikat und die Farbe von Pierres Auto, und Toucas schickte einen seiner Gendarmen los, um auf dem Gelände nach ihm zu suchen. Danach zwang er Luc, mit in den Bürocontainer zu kommen und nachzusehen, ob etwas fehlte. Die Umrisse der Leichen waren noch mit weißer Kreide auf den Boden gezeichnet. Luc entdeckte mehrere trocknende Blutlachen.
    »Gott im Himmel«, murmelte Luc. »Wer kann so etwas getan haben?«
    »Wer immer es war, wir werden ihn finden«, erwiderte Toucas. »Verlassen Sie sich drauf.«
    Im Büro-und im Laborcontainer herrschte ein entsetzliches Durcheinander. Sämtliche Computer waren weg, ebenso wie die Laborausrüstung, die Mikroskope und die Überwachungsmonitore. Der Inhalt von Aktenschränken und Schubladen war herausgerissen und auf einen großen Haufen in der Mitte des Bürocontainers geworfen worden. Danach hatte jemand offenbar versucht, das Sammelsurium in Brand zu setzen, denn etwa ein Viertel der Papiere war entweder vollständig verbrannt oder stark angesengt.
    »Warum will man denn unsere Akten verbrennen?«, fragte Luc benommen.
    Toucas zeigte auf die verkohlten Überreste. »Vielleicht wollten sie auch nur ein Feuer legen, um sämtliche Beweismittel zu vernichten. Offenbar ist das Feuer aber von allein wieder ausgegangen. Diese beschichteten Aktenordner brennen nicht gut, und Brandbeschleuniger haben wir nicht gefunden.«
    Ein Gendarm streckte den Kopf durch die Tür. »Der Wagen, den ich suchen sollte, steht nicht auf dem Gelände, mon Colonel.«
    »Wo, zum Teufel, steckt dann dieser Pierre? Wie heißt er mit Nachnamen, Professor?«
    »Berewa.«
    »Was soll denn das für ein Name sein?«
    »Pierre stammt aus Sierra Leone.«
    »Sieh mal einer an«, sagte Toucas misstrauisch. »Ein Afrikaner.«
    »Nein, ein Franzose«, erwiderte Luc.
    Toucas lächelte schief.
    »Nun gut, wir müssen diesen Pierre Berewa finden, ganz gleich, wer er sein mag. Können Sie ihn vielleicht anrufen? Haben Sie seine Handynummer?« Luc wusste sie sogar auswendig, aber der Akku seines Handys war leer. Also nahm er das vom Colonel, ohne Erfolg.
    Auf einmal fiel Lucs Blick auf seinen eigenen Schreibtisch. Auch hier waren alle Schubladen herausgerissen. »In meiner Schreibtischschublade war der Ersatzschlüssel zur Höhle!«, sagte er.
    »Sehen Sie zu, ob Sie ihn hier irgendwo finden«, sagte Toucas. »Aber bitte, ziehen Sie zuerst Handschuhe an.« Er deutete auf eine Schachtel mit Latexhandschuhen, die die Spurensicherung dagelassen hatte. »Wegen der Fingerabdrücke, Sie

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