Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zeit: auf Gegenkurs

Die Zeit: auf Gegenkurs

Titel: Die Zeit: auf Gegenkurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
Vom Netzwerk:
hinzu.
    »Ann?« fragte Appleford überrascht. »Warum keinen Löscher?«
    »Annie ist bei Männern sehr erfolgreich, und es geht um einen Mr. Sebastian Hermes, einen Altgeborenen, der jetzt Mitte Vierzig ist. Wir glauben, daß wir auf diese Weise mehr Erfolg haben als mit einer Razzia; es ist möglich, daß sie den Leichnam des Anarchen vom Friedhof ins Vitarium geschafft, ihn dort wiederbelebt und dann an einen anderen Ort gebracht haben, vielleicht in eine Privatklinik, die wir nie finden würden.«
    »Ich verstehe«, sagte Appleford beeindruckt. Auch Ann McGuire beeindruckte ihn; er hatte sie schon bei der Arbeit gesehen. Vor allem bei Männern, wie ihre Mutter gesagt hatte; sie hatte stets Erfolg, wenn es um Sex ging.
    Er hatte immer gehofft, sich in seinen masochistischen Träumen danach gesehnt, daß Mavis und der Rat Ann auf ihn ansetzen würden.
    Da Sebastian Hermes verheiratet war, würde Ann besonders erfolgreich sein; ihre Spezialität war, sich als Dritte in eine Zweierbeziehung einzumischen, die Ehefrau – oder Freundin – auszubooten und die Zahl der Beteiligten wieder auf zwei zu reduzieren: auf sie und den Mann.
    Viel Glück, Mr. Hermes, dachte er sarkastisch. Und dann dachte er an die scheue, kleine Mrs. Hermes, die jetzt dem Löscher ausgeliefert war, und der Gedanke verursachte ihm Unbehagen.
    Das Verhör würde Lotta Hermes verändern. Er fragte sich, in welcher Hinsicht, zum Besseren oder zum Schlechteren. Das Verhör würde sie entweder stärker machen oder zerstören; beide Möglichkeiten waren denkbar.
    Er hoffte, daß die erste Möglichkeit zutraf; das Mädchen hatte ihm gefallen.
    Aber ihm waren die Hände gebunden.

    9. K APITEL

    Gott kennt die Dinge nicht, weil sie sind:
sie sind, weil Er sie kennt,
und Seine Kenntnis von ihnen ist ihr Wesen.
    – Eriugena

    Ich bin wirklich der Gelackmeierte, grübelte Joe Tinbane. Ich habe meine Freundschaft mit den Hermes’ zerstört, und meinetwegen mußte sie wieder in die Bibliothek gehen. Was ihr auch zustößt, es ist meine Schuld; sie wird bis zu meiner Geburt auf meinem Gewissen lasten.
    In den meisten Fällen, dachte er, wenn ein Mensch vor einem bestimmten Ort oder einer bestimmten Situation eine Phobie entwickelt, gibt es einen triftigen Grund. Es ist eine Form der Vorahnung. Wenn Lotta soviel Angst vor der Bibliothek hat, dann wahrscheinlich mit Recht. Diese Löscher, sagte er sich. Mysteriös; wer und was sind sie? Die Polizei von Los Angeles weiß es nicht; ich weiß es nicht.
    Er war jetzt wieder zu Hause bei Bethel. Und wie gewöhnlich machte sie ihm das Leben zur Hölle.
    »Du interessierst dich gar nicht für dein Sogum«, sagte Bethel scharf.
    »Ich gehe«, erklärte er, »und übergebe mich. Damit ich allein sein und nachdenken kann.«
    »Oh? Ich störe dich beim Nachdenken? Über was denkst du nach?«
    Verärgert über ihren Tonfall schnappte er: »Okay; wenn du es wirklich wissen willst, sage ich es dir.«
    »Es geht um eine andere Frau.«
    »Richtig.« Er nickte. »Eine, die ich lieben könnte.«
    »Du hast einmal gesagt, du könntest nie jemanden so lieben, wie du mich geliebt hast; daß jede andere Beziehung …«
    »Das war damals.« Zu viele Jahre waren vergangen; Worte konnten keine gescheiterte Ehe kitten. Warum soll ich mit jemandem verheiratet sein – verheiratet bleiben –, der mich im Grunde nicht respektiert oder mag? fragte er sich. Er stand auf und schob die Sogumpfeife fort. »Ich habe sie vielleicht umgebracht«, sagte er. »Ich trage die Verantwortung.« Ich muß sie aus der Bibliothek herausholen, durchfuhr es ihn.
    »Du gehst jetzt zu ihr«, erkannte Bethel. »Ohne auch nur den Versuch zu machen, diese – diese verbotene Beziehung vor mir, deiner Frau, zu verheimlichen. Ich habe unser Ehegelübde ernst genommen, aber du hast dir nie Mühe gegeben; wenn es nicht mit uns geklappt hat, dann deshalb, weil du dir keine Mühe gegeben und kein Verantwortungsgefühl gezeigt hast. Und jetzt läufst du ganz offen, ganz dreist zu ihr. Verschwinde doch!«
    »Guten Tag«, sagte er; die Tür seines Konapts schloß sich hinter ihm, und er war draußen im Korridor und eilte zu seinem nicht gekennzeichneten Streifenwagen. Soll ich etwa so gehen? fragte er sich. Ohne Uniform? Nein! Er lief zurück zur Konapttür – und fand sie geschlossen.
    »Versuch gar nicht erst zurückzukommen«, sagte Bethel. »Ich werde die Scheidung einreichen.« Selbst durch die dicke Servoschaumtür war ihre Stimme deutlich zu vernehmen.

Weitere Kostenlose Bücher