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Die Zeit: auf Gegenkurs

Die Zeit: auf Gegenkurs

Titel: Die Zeit: auf Gegenkurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Giacometti.
    Es war überflüssig; die Diskussion war bereits beendet. Zum ersten Mal seit langer Zeit war es still im Wohnzimmer seiner Wohnung.

    13. K APITEL

    Der Mensch ist ein Tier, das ist seine Gattung,
aber der Mensch ist eine denkende Spezies,
das ist der Unterschied,
zum Lachen fähig, das ist seine Eigenschaft.
– Boethius

    Joe Tinbane hatte es sich in dem kleinen Hotelzimmer an einem Platz gemütlich gemacht, von dem aus er nach draußen sehen konnte. Für den Fall, daß jemand auftauchte. Seine Frau Bethel, Sebastian Hermes, Kommandos der Bibliothek – er mußte auf jeden einzelnen und alle zusammen gefaßt sein. Keine Kombination würde ihn überraschen.
    In der Zwischenzeit las er die neueste Ausgabe von Nordamerikas reißerischster Zeitung, den Chicagoer Monday Herald.

    BETRUNKENER VATER ASS EIGENES BABY

    »Man weiß nie, was das Leben für einen bereithält«, sagte er zu Lotta. »Ob man nun ein Neugeborenes oder ein Altgeborener ist – ich wette, dieser Bursche hat nie damit gerechnet, auf diese Weise zu enden – als Schlagzeile im Monday-Herald.«
    »Ich verstehe nicht, wie du so etwas lesen kannst«, sagte Lotta nervös; sie saß auf einem Stuhl am anderen Ende des Zimmers und kämmte ihr langes, dunkles Haar.
    »Nun, als Polizeibeamter habe ich eine Menge davon gesehen. Nicht direkt so etwas entsetzliches – der Fall, daß ein Vater sein eigenes Baby verzehrt, ist selten.« Er blätterte weiter und las die Schlagzeile auf der zweiten Seite.

    KALIFORNISCHE BIBLIOTHEK TÖTET UND KIDNAPPT SELBSTJUSTIZ GEÜBT – DENNOCH UNANGREIFBAR

    »Mein Gott«, sagte Joe Tinbane. »Das könnte über uns sein; hier ist ein Artikel über die Stadtbibliothek. Genau das gleiche,

    was sie mit dir versucht haben – dich als Geisel zu behalten.« Interessiert las er den Artikel.

    Wie viele Bürger von Los Angeles sind hinter den grimmigen grauen Mauern dieses düsteren Gemäuers verschwunden? Die Behörden nennen offiziell keine Zahlen, aber inoffiziell schätzt man, daß es monatlich drei unaufgeklärte Entführungsfälle gibt. Die Motive der Bibliothek sind weitestgehend unbekannt und werden für komplex gehalten. Der Wunsch, im voraus Texte zu löschen, die …

    »Ich glaube es einfach nicht«, sagte Tinbane. »Sie können damit nicht durchkommen. Nimm mich, zum Beispiel; wenn mir irgend etwas zustoßen sollte, würde mich mein Chef, George Gore, heraushauen. Oder wenn ich tot wäre, würde er mich rächen.« Der Gedanke an George Gore erinnerte ihn daran, daß Ray Roberts jede Minute eintreffen konnte; wahrscheinlich war Gore auf der Suche nach ihm, um mit ihm die Details für Roberts’ Schutz durchzusprechen. »Ich rufe ihn besser an«, sagte er zu Lotta. »Ich habe ganz vergessen, daß er mich braucht.«
    Vom Vidfon des Hotelzimmers aus rief er Gore an.
    »Ich habe eine Nachricht für Sie hier«, informierte ihn der Beamte in der Funkzentrale, nachdem er sich identifiziert hatte. »Anonym. Agenten der Bibliothek sollen hinter Ihnen her sein. Sagt Ihnen das etwas?«
    »Zum Teufel, ja«, nickte Tinbane. Er sah Lotta an. »Agenten der Bibliothek suchen uns.« Zu dem Beamten in der Funkzentrale sagte er: »Verbinden Sie mich mit Mr. Gore.«
    »Mr. Gore ist am Flughafen von Los Angeles und überwacht die Sicherheitsvorkehrungen für Ray Roberts«, erwiderte der Beamte.
    »Sobald er zurückkommt, richten Sie ihm folgendes aus«, bat Tinbane. »Wenn mir etwas zustoßen sollte, war es die Bibliothek, und wenn ich spurlos verschwinden sollte, hat man mich in die Bibliothek verschleppt. Und vor allem im Fall meines Todes ist sie dafür verantwortlich.« Er legte deprimiert auf.
    »Glaubst du, daß sie uns hier finden werden?« fragte Lotta.
    »Nein«, antwortete er. Er dachte einen Moment nach und suchte dann in den Schubladen des Kleiderschranks, bis er das Vidfonbuch fand; niedergeschlagen blätterte er die Seiten um, bis er schließlich auf Douglas Applefords Privatnummer stieß; er hatte ihn schon mehrfach angerufen und ihn meist auch erreicht.
    Er wählte die Nummer.
    »Auf Wiedersehen«, meldete sich Appleford, als er auf dem Bildschirm erschien.
    »Tut mir leid, daß ich Sie zu Hause stören muß«, sagte Tinbane, »aber ich brauche dringend Ihre Hilfe. Können Sie Ihre Vorgesetzte, Mrs. McGuire, erreichen?«
    »Möglich«, nickte Appleford. »Aber nur im Notfall.«
    »Ich schätze, es handelt sich um einen Notfall«, sagte Tinbane. Er erklärte dem Bibliothekar die Situation. »Verstehen Sie?«

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