Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
Männer um rasch am Strand entzündete Feuer und ließen die Whiskeyflaschen kreisen. Barker verkaufte zwar keinen Schnaps zum Mitnehmen, aber Carpenter war erneut vorbeigekommen, nachdem er die örtlichen Maori-Stämme besucht hatte. Es gab rund um die Piraki Bay ein paar kleinere Ansiedlungen, und der Händler pflegte die Walfangstation als Stützpunkt zu benutzen, wenn er mit ihnen Handel trieb. Nun hatte er dem Begräbnis beigewohnt und die Chance genutzt, den immerhin bereits entlohnten Walfängern ein paar Flaschen Whiskey zu verkaufen, bevor er wie geplant am nächsten Morgen weiterreiste. Er freute sich, dass sich ihm dann eine Mitreisegelegenheit in den Norden der Insel bot. Captain Clayton würde mit dem beladenen Schoner Bee ins Delta des Wairau River segeln. Dort, in der Cloudy Bay, an der Mündung des Flusses, gab es eine weitere Walfangstation, deren letzte Erzeugnisse zugeladen werden sollten, bevor sich der Kapitän auf die lange Reise nach Europa begab. Carpenters Bitte, seinen Wagen und sein Pferd bis zur Cloudy Bay zuzuladen, hatte Clayton gern entsprochen. Der Händler plante, in der Gegend der Tasman Bay größere und bekanntere Maori-Stämme aufzusuchen, die etwas zivilisierter sein sollten als die hiesigen.
»Hat schon seinen Grund, dass ich bei denen hier nicht gern über Nacht bleibe«, verriet er jetzt dem Missionar, Reverend Morton. »Dieser Hone Tuhawaiki, der Häuptling der Kerle hier, hat Hempleman das Land verkauft, aber das hindert ihn nicht, auch immer mal wieder Überfälle auf die Siedler zu verüben. Und das kann blutig werden, wenn ihm seine Krieger aus dem Ruder geraten. Es ist sogar von Kannibalismus die Rede …«
Kitten, die unfreiwillig mithörte, weil Morton natürlich sofort die Nähe der Frauen gesucht hatte, als er sich zum Gespräch mit Carpenter niedergelassen hatte, sah im Feuerschein, wie der Missionar zusammenzuckte. Bislang hatte er keine Eile gezeigt, sich zu den »Wilden« in der Umgebung der Walfangstation zu begeben, nun schien er noch weniger Lust dazu zu verspüren.
»Und … im Norden sind sie friedlicher?«, fragte er den Händler besorgt.
»Na ja, nicht unbedingt«, gab Carpenter gelassen Auskunft. »Aber da gibt’s schon länger weiße Siedler, sie haben mehr Kontakt mit denen und … gewissermaßen gelernt, was sich schickt. Man isst sich nicht mehr gegenseitig, sondern verhandelt – jedenfalls meistens. Ich zumindest ziehe die Gegend vor. Man kommt auch eher mit den Leuten ins Geschäft, sie sind scharf auf alles, was den Weißen das Leben einfacher macht: Decken, Töpfe, Pfannen … Und sie haben Geld – verkaufen ja ständig Land an die neuen Siedler.«
Reverend Morton holte tief Luft. »Vielleicht …«, überlegte er, »… zeigen sie sich dann auch aufgeschlossener für Gottes Wort?« Er sah den Händler hoffnungsvoll an.
Der zuckte die Achseln. »Weiß ich nicht, Reverend. Nach Bibeln besteht zurzeit noch keine Nachfrage. Aber das könnten Sie ja ändern. Wenn Sie wollen, nehme ich Sie mit.«
»Das würden Sie machen?« Der Reverend lebte erkennbar auf. »Mein Wirken könnte dort … auf fruchtbareren Boden fallen, nicht wahr?«
Carpenter verdrehte die Augen. »Eher wäre es schlecht für mein hiesiges Geschäft, wenn Bloody Jack demnächst einen Missionar verspeisen würde«, gab er gelassen zurück. Bloody Jack war der Spitzname des Häuptlings Tuhawaiki. »Ich vermeide gern alles, was den Kerlen Appetit macht. Ich erwarte natürlich einen kleinen Beitrag zu den Reisekosten …« Captain Clayton nahm den Händler selbstverständlich nicht umsonst mit.
Reverend Morton wand sich. »Ich verfüge nur über wenige Mittel, ich …«
»Na, für die Huren hat’s noch allemal gereicht, hörte ich«, bemerkte Carpenter. »Geben Sie sich keine Mühe, Reverend, ich glaub nicht, dass meine Seele noch zu retten ist, nur weil ich ’ nen Pfaffen zu den Wilden transportier. Sie zahlen Ihren Beitrag, oder Sie missionieren bei Tuhawaiki …«
Reverend Morton war anzusehen, dass er dieser Alternative das Zahlen vorzog.
»Müssen wir tatsächlich morgen schon abreisen?«, fragte er unglücklich. »Ich denke, das wäre doch … nicht sehr pietätvoll, wenn man bedenkt, dass Mrs. Hempleman gerade erst verschieden ist. Ich gedachte schon, dem Witwer noch einen oder zwei Tage Beistand zu leisten … Der Kapitän ließe sich sicher überzeugen …«
Carpenter, ein kleiner, rundlicher Mann mit listigen Augen, denen so schnell nichts entging,
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