Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
handeln, Carpenter hatte es stets für sie mitgebracht. Mr. Hempleman hatte er es jetzt wohl nicht anbieten wollen.
George Hempleman bemühte sich, seine deutschen Wurzeln so weit wie möglich zu vergessen – wahrscheinlich hätte er auch gar nicht gewusst, wie man das Sauerkraut zubereitete. Kitten selbst aß den eingelegten Kohl ganz gern, gekocht, wie Frau Hempelmann ihn anbot, aber auch roh. Sie war ohnehin ständig hungrig und aß fast alles. Nur Walfleisch – nach dem Fang wanderten immer wieder fette Stücke in die Kessel der Männer und galten als Köstlichkeit – brachte Kitten nicht herunter. Das Sauerkraut war jedoch noch in anderer Hinsicht ein Glücksfall. Es würde auf der Reise nach Norden nicht nur Kittens Hunger stillen, sondern ebenso ihren Durst – wenngleich das Essigwasser, in dem das Gemüse schwamm, nicht gerade ihre erste Wahl gewesen wäre.
Zufrieden machte das Mädchen es sich zwischen den Decken bequem, die sich reichlich auf dem Wagen fanden. Wenn Carpenter jetzt nicht noch auf die Idee kam, ein paar letzte Geschäfte mit den Walfängern abzuschließen, bevor er den Wagen aufs Schiff steuerte, dürfte eigentlich nichts mehr passieren.
Zu Kittens Überraschung fand sie sogar Schlaf in ihrem Versteck. Gesättigt und erschöpft von der langen Nacht zuvor schlummerte sie sehr schnell ein und wurde erst wach, als der Wagen anfuhr. Carpenter hatte die Plane also nicht mehr gehoben, und ein rascher Blick nach draußen verriet ihr, dass er es kaum noch tun würde. Die Sonne ging gerade erst auf, und um diese Zeit regte sich noch nichts am Strand. Allerdings hielt der Händler noch einmal kurz an und begrüßte den Reverend. Er war sonst sicher kein Frühaufsteher, aber die Furcht, auf der Speisekarte eines Maori-Häuptlings zu enden, hatte ihn offenbar pünktlich aus Nonis Armen getrieben. Morton nahm auf dem Bock Platz, und Carpenter steuerte den Wagen an Bord des Schiffes.
Alles verlief reibungslos, Rampen gab es noch vom Beladen am vorherigen Tag. Kitten hielt den Atem an, als es über die schwankenden Bretter ging, und noch einmal, als Carpenter und der Reverend abstiegen und Captain Claytons Männer den Wagen auf dem Deck des Schiffes vertäuten. Der Händler führte die Pferde weg, die wohl unter Deck untergebracht wurden, dann war sie allein. Kitten befürchtete noch, Carpenter würde vielleicht ein paar Decken oder andere Dinge hervorholen. Womöglich um sie Morton zu verkaufen, der vielleicht nicht auf eine Übernachtung an Bord eingerichtet war. Aber auch das erwies sich als überflüssige Sorge. Und dann erschollen auch schon die Stimmen des Kapitäns und seiner Männer. Befehle wurden gerufen und die Segel gesetzt, die Rampe wurde abgebaut.
Kitten entspannte sich, als sie das Schiff unter sich schwanken fühlte. Die Bee legte ab, und sie war auf See, sie war Barker entkommen! Selbst wenn man sie jetzt noch entdeckte, würde Captain Clayton kaum zurücksegeln, um dem Pub-Betreiber seine Ware zurückzubringen. Kitten hätte beinahe ein Dankgebet gesprochen, wie Frau Hempelmann es sie gelehrt hatte. Aber dann verzichtete sie doch darauf. Besser, sie machte Reverend Mortons Gott gar nicht erst auf sich aufmerksam!
Die Reise zur Cloudy Bay nahm zwei Tage in Anspruch, und sie verlief ruhig, für die Besatzung ebenso wie für Kitten. Abgesehen von den Stimmen der Matrosen auf Deck und dem Wind in den Segeln sah und hörte das Mädchen nichts während der Seefahrt. Niemand näherte sich dem Wagen, und Kitten wagte es schließlich sogar, unter der Plane hervorzukriechen, um ihre Notdurft zu verrichten. Zumindest nachts war das gänzlich ungefährlich. Der Wagen war am Bug des Schiffes zwischen Kisten mit Fischbein und anderen Waren vertäut, und der größte Teil der Mannschaft hielt sich unter Deck auf und schlief. Bei leichtem Wind und der ruhigen See genügten wenige Männer, um das Schiff zu segeln.
Kitten konnte ihr Glück kaum fassen. Doch leider hielt es nicht an, als sie Cloudy Bay endlich erreichten. So schwand zum Beispiel sofort ihre Hoffnung, die Walfangstation wäre vielleicht einer Stadt angegliedert. Kitten spähte unter ihrer Plane hervor auf den Strand, aber da war nichts außer Walknochen, Booten und den üblichen primitiven Hütten der Walfänger. Die Station war eher kleiner als die von George Hempleman. Sie sollte allerdings älter sein. Kitten machte sich keine Illusionen – auch hier würde es einen einfachen Pub geben und zweifellos ein paar Huren. Der Wirt
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