Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
Später segelte Kupe zurück nach Hawaiki und holte weitere Siedler. Und das ist keine erfundene Geschichte! Jeder Maori weiß noch heute, wie das Kanu hieß, mit dem seine Vorfahren nach Aotearoa kamen.«
Cat erzählte von den Abenteuern des Halbgottes Maui, der einst zum Fischen auszog und dabei kenterte. Sein Kanu wurde zur Südinsel Neuseelands, der gefangene Fisch zur Nordinsel. Und da alle Gefallen an dem listigen Burschen fanden, schilderte sie weitere seiner Abenteuer. Sie sprach von der Falle, die er einst der Sonne stellte, und davon, wie er den Menschen das Feuer brachte.
Ida erinnerte sich an die griechischen Sagen, die Lehrer Brakel seinen Schülern erzählt hatte, und nach ein paar Schlucken Whiskey wagte sie sich in langsamem, aber schon recht korrektem Englisch an die Geschichte von Prometheus.
Die abendliche Erzählrunde wurde schnell zu einer Gewohnheit, auf die sich die kleine Reisegruppe den ganzen Tag freute. Es war schön, nach einer anstrengenden Etappe auf andere Gedanken zu kommen. Gibson schilderte anschaulich englische Dramen und Ritterabenteuer, und Cat erinnerte sich immer wieder an eine Landmarke, einen Berg, einen riesigen Kauribaum oder einen See, deren Geschichten ihr Te Ronga erzählt hatte. Nach dem Glauben der Maori war die gesamte Natur belebt, in jedem Berg oder Baum existierte ein Gott oder ein Geist, der glücklich oder traurig war, der sich unsterblich verlieben konnte, aber auch Eifersucht, Neid und Ärger empfand und seine Feinde oft unversöhnlich hasste.
Cats Geschichten machten Neuseeland vor allem für die Kinder lebendig. Es dauerte nicht lange, bis Betty und Eric selbst anfingen, den Bäumen und Felsen auf ihrem Weg Namen zu geben und sich auszudenken, wie es ihre Geister wohl hierher verschlagen hatte. Cat und Gibson amüsierten sich darüber, während Ida immer noch etwas ängstlich und peinlich berührt darauf reagierte. Ihr Vater hätte Cat für ihre Erzählungen gerügt und Elsbeth für ihre heidnischen Reden streng gestraft. Der Gott, mit dem sie aufgewachsen war, hatte wenig Humor.
KAPITEL 4
Der letzte Teil der Reise nach Purau führte über weitgehend ebenes Gebiet. Hier begannen nach Gibsons Angaben die Canterbury Plains, die er in Zukunft für Siedler erschließen wollte. Endlose, mit Tussockgras bewachsene Flächen, die anscheinend nur darauf warteten, von fleißigen Einwanderern umgepflügt und urbar gemacht zu werden. Mithilfe einiger an seiner Mündung siedelnder Fischer überquerten die Reisenden den Waimakariri River und bogen ins Inland ab.
»Wenn ihr direkt nach Port Victoria wollt, müsst ihr hier nach links«, wandte sich Gibson an Betty und Eric, die sich daraufhin unschlüssig ansahen.
Eigentlich wären sie gern bei den Erwachsenen geblieben – Betty zumindest hätte sich bei ihrer Schwester erheblich sicherer gefühlt als allein in Wellington. Und wenn in Purau wirklich eine schon bestehende Farm auf Ida und Ottfried wartete … Vielleicht würde sich da ja auch Eric nützlich machen können, bis er wenigstens ein bisschen älter war und fließend Englisch sprach?
»Wir gucken uns erst mal an, wo ihr hinwollt!«, entschied Betty schließlich. »Oder wäre es von da aus sehr weit nach Port Victoria?«
Gibson schüttelte den Kopf. »Fünfzehn, zwanzig Meilen am Meer entlang, ein Katzensprung per Boot«, gab er Auskunft.
Betty und Eric atmeten auf.
»Dann kommen wir erst mal mit«, entschied Ottfrieds Bruder.
Tatsächlich erreichten die Reisenden nun sehr bald die Banks-Halbinsel, ein hügeliges, bewaldetes Gebiet. Cat wusste allerdings, dass es hier schon lange Maori-Ansiedlungen gegeben hatte.
»Und Maui, der Halbgott«, erzählte sie den gespannt lauschenden Kindern, »soll die Halbinsel geformt haben. Der rastete nämlich mal hier mit seinem Kanu, und plötzlich entstieg dem Meer ein Riese und wollte mit ihm kämpfen. Maui warf ein paar Felsen auf ihn …«, sie wies auf die Hügel, zwischen denen Gibson den Wagen herlenkte, »… und als er darunter verschwand, hoffte Maui, er wäre besiegt. Aber der Riese regte sich doch noch einmal, und er spaltete die Felsen, bevor Maui ihn endlich töten konnte. Dadurch entstanden zwei Buchten, die sich zum Fischfang eigneten. In beiden wurde gesiedelt, eine der Siedlungen war Purau.«
»Ist jetzt aber frei von den Wilden«, erklärte Gibson, was wohl beruhigend wirken sollte. Cat schaute ihn jedoch strafend an.
Er verdrehte die Augen, als er ihren Blick bemerkte. »Nun guck nicht so!«,
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