Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
versprochene Unterkunft.
»Woher willst du denn das wissen?«, fragte er Cat, die keine Anstalten machte, von Gibsons Wagen zu steigen. »Sieht doch ganz nett aus. Und außer uns ist keiner hier …« Ottfried prüfte die Tür, die sofort aufschwang, als er leicht dagegenstieß.
Cat nickte. »Eben«, erklärte sie. »Das pa wurde aufgegeben. Und zwar mit ziemlicher Sicherheit, nachdem hier Blut geflossen ist. Und wo Blut vergossen wurde, da lebt man nicht. Das wird zu einem … na ja, so was wie einem heiligen Ort. Man kommt hin und gedenkt der Toten. Aber man wohnt da nicht!«
Sie fragte sich wehmütig, ob die Ngati Toa das Dorf, in dem sie mit Te Ronga gelebt hatte, nach dem Kampf mit den Engländern ebenfalls aufgegeben hatten.
»Also du meinst, die Engländer sind hier eingebrochen und haben die Maori getötet, und der Rest ist weggelaufen?«, fragte Betty ängstlich. »Und hier ist nun alles voller Geister?«
»Nicht die Engländer«, sagte Cat leise. »Ich denke … ich fürchte, es war Te Rauparaha. Mit Kriegern der Ngati Toa. Er hat früher viele Feldzüge geführt. Um Beute zu machen. Und die Leute hier – Laura sagte, die Weißen aus Port Victoria hätten mit ihnen gehandelt. Also besaßen sie Dinge, die Te Rauparaha wollte. Vielleicht hat er das pa geschleift.«
»Oder die Leute sind einfach freiwillig gegangen, weil sie die Häuser nicht mehr brauchten«, meinte Gibson. »Hast du selbst mal gesagt, dass es hier früher mehr Maori gab als jetzt. Und dass die oft an ganz normalen Krankheiten gestorben sind. Also keine Leute, kein Dorf mehr. Die sind einfach weggezogen. Und jetzt kommt, die Häuser hier gehören niemandem.«
»Und da haben Sie sich einfach hier einquartiert?«, fragte Ida streng. »Ohne irgendjemanden zu fragen?«
Gibson verdrehte die Augen. »Wen sollte ich denn fragen?«, erkundigte er sich. »Die Redwoods haben es genauso gemacht. Einfach da gesiedelt, wo es ihnen gefiel – und als die Maori was wollten, haben sie verhandelt. Hier bei mir ist bislang keiner aufgekreuzt, der was wollte.«
»Das wird auch niemand tun«, erwiderte Cat mit schmalen Lippen. »Wenn es hier Maori gibt, werden sie nicht mit uns reden und nicht mit uns handeln. Sie werden uns auch nichts tun. Man vergießt kein Blut an Stätten, die tapu sind. Da überlässt man die Rache den Geistern. Aber wir sind Abschaum für sie. Wir stoßen uns selbst aus, wenn wir hier leben.«
»Das Dorf ist auch unheimlich!«, sagte Betty. »Ich will hier nicht bleiben!«
Eric nickte ihr fast unmerklich zu. »Wir gehen nach Port Victoria«, wisperte er. »Wir suchen uns ein Schiff nach Wellington, gleich morgen!«
Gibson holte mit einem Seufzer eine Flasche Whiskey unter dem Bock seines Wagens hervor und nahm einen langen Schluck. Dann warf er sie Ottfried zu.
»Sprich ein Machtwort!«, bemerkte er. »Deine Weiber sind verrückt geworden.«
Ottfried, der von der vorausgehenden Diskussion nicht einmal die Hälfte verstanden hatte, trank ebenfalls und schaute dann mit gerunzelter Stirn von Ida zu Cat.
»Verstehe ich das richtig, dass ihr hier nicht schlafen wollt, weil irgendwelche Wilden sich in der Gegend mal gegenseitig abgeschlachtet haben?«, fragte er auf Deutsch. »Auch du, Ida? Als Christin? Die gelernt hat, auf Gott als ihre feste Burg zu vertrauen? Als Tochter von Jakob Lange?«
Ida errötete, aber Cat nickte. »Ottfried, es geht nicht darum, ob es hier Geister gibt oder nicht. Es ist eine Frage des Respekts. Dieses Land gehört uns nicht. Wir haben nicht das Recht, uns hier einfach einzuquartieren. Zumal in dem Wissen, dass die Eigentümer es nicht gutheißen, dass hier überhaupt jemand lebt.«
»Was hätten wir denn gemacht, Ottfried«, fragte Ida leise, »wenn plötzlich Maori gekommen wären, sich in der Kirche in Sankt Paulidorf eingenistet und da unseres Glaubens gespottet hätten, indem sie ihre Feuer angezündet und ihre heidnischen Gebete gesagt hätten. Und …«, sie errötete zutiefst, »… und ihre Kinder gezeugt und geboren?«
Ottfried holte eine Laterne vom Wagen und leuchtete in das alte Versammlungshaus, nachdem er sie rasch entzündet hatte. Innen wirkte es nicht so bedrohlich. Gibson hatte das Haus primitiv und spärlich möbliert, es gab einen einfach zusammengehämmerten Tisch, Stühle und eine Pritsche. An die ursprünglichen Bewohner erinnerte hier nichts mehr.
Ottfried wirkte zufrieden. »Na, was hätten wir wohl getan mit den Wilden in unserer Kirche?«, antwortete er
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