Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
Schrecken. Natürlich wirkten die halb eingestürzten Häuser und Palisaden verwahrlost und traurig, aber wenn man ein wenig Arbeit hineinsteckte, würde sich das pa so herrichten lassen, dass man nicht mehr gleich an Krieg und Zerstörung dachte. Ottfried machte sich direkt an die Arbeit, von ihm wussten die Frauen, dass er hart anpacken konnte. Joe dagegen beklagte Erics Flucht. Er hatte auf die Hilfe des Jungen gehofft.
»Ach was, das kriegen wir auch allein hin!«, meinte dagegen Ottfried optimistisch, während er herzhaft von seinem Käsebrot abbiss und es mit viel Kaffee, den Ida aufgebrüht hatte, hinunterspülte.
»Wir fangen mit dem Stall an – dafür nehmen wir das kleine Haus nebenan.«
»Das war das Küchenhaus«, sagte Cat.
Ottfried zuckte die Schultern. »Mir egal, wofür die Wilden das genutzt haben. Ich hab’s mir gestern mal angeguckt, für die Pferde reicht es. Und daneben ist noch ein Verschlag, da kannst du schlafen, Cat. Das machen wir dir ganz gemütlich, ich kann dir sogar ein richtiges Bett zimmern, wenn ich Zeit habe. Holz ist ja reichlich da, wir bauen einfach ein paar von den Gebäuden ab. Auch die Palisade, das gibt einen guten Zaun. Joe kriegt das Haus da bei den Bäumen. Da ist natürlich noch einiges dran zu tun, aber dafür ist es schön. Falls er doch noch mal ’ ne Frau mitbringt. Und Ida und ich, wir nehmen das alte Versammlungshaus hier, da ist ein bisschen mehr Platz, auch für das Kind später. Geht das in Ordnung, Joe?«
Joe grummelte eine Zustimmung, doch Ida schaute missbilligend. Die Männer hatten also tatsächlich vor, sich hier auf Dauer einzurichten. Das für Joe vorgesehene Haus war das frühere Haus des Häuptlings. Nicht sehr groß, aber mit aufwendigen Schnitzereien verziert – und leider ziemlich stark beschädigt. Die Frauen mochten sich kaum vorstellen, was mit seinem Bewohner und womöglich dessen Frau und seinen Kindern geschehen war. Vor allem Ida, deren lebhafte Fantasie nach der Wairau-Affäre monatelang vom bösartigen Gerede in Nelson genährt worden war, konnte die Vorstellung von Menschenfresserei nicht abschütteln. Wahrscheinlich würde sie noch wochenlang von abgetrennten Körperteilen träumen, die auf dem Platz vor der Hütte in großen Kesseln kochten.
Sie folgte Cat, die nach dem Frühstück das Terrain erkunden wollte, um vielleicht die früheren Felder und Gärten der Maori zu finden, auch nur unwillig nach draußen. Ottfried forderte die Frauen jedoch unmissverständlich auf, sich nützlich zu machen. Dass sie in anderen Umständen waren, ließ er als Ausrede nicht gelten. In Raben Steinfeld hatten die Bäuerinnen immer bis zum Tag der Geburt gearbeitet.
»Schau, Ida, hier zumindest waren gute Geister am Werk!«, scherzte Cat, als sie in einem umfriedeten Landstück hinter den Häusern eine Art Feld fand, auf dem sich niedrige dunkelgrüne Pflanzen breitmachten. Die Erde war relativ locker, und nach kurzem Graben fand Cat, was sie erhofft hatte. »Süßkartoffeln. Die Maori nennen sie kumara «, erklärte sie. »Hast du sie schon mal gegessen? Heute Mittag jedenfalls gibt es kumara -Eintopf!«
Ida hatte inzwischen weitere Pflanzen entdeckt, unter anderem Getreide und Mais. »Ich dachte, die Maori wären keine Bauern«, wunderte sie sich.
Cat zuckte die Schultern. »Eigentlich schon, die Frauen bestellen ihre Gärten und Felder. Das hat Tradition. Aber die meisten Pflanzen, die mit den ersten Kanus aus Hawaiki kamen, wuchsen hier einfach nicht. Dort war es ja viel wärmer. Nur die kumara gedieh. Und das hier …«, sie wies auf den Hafer und den Mais, »… das kam mit den Engländern. Saatgut ist eine begehrte Handelsware. Und wie du siehst, wenn Maori-Frauen welches bekommen, dann machen sie auch was draus!«
»Es kommt mir komisch vor, es jetzt zu ernten«, sagte Ida leise, während Cat sofort begann, die Pflanzen auf ihren Reifegrad zu untersuchen und auszugraben, abzuschneiden und mitzunehmen, was man essen konnte. »Ich meine, es gehört uns nicht, wir ernten die Früchte der Arbeit von anderen.«
Cat zuckte die Schultern. »Hier hat lange niemand geackert, diese Pflanzen haben sich ganz sicher allein ausgesät«, meinte sie. »Und außerdem: Wem nützt es, wenn das Gemüse jetzt verdirbt? Aber wir können ja von mir aus ein Dankgebet sprechen. Zu deinem Gott und zu Te Rongas Göttern. Säen und ernten ist bei den Stämmen immer mit karakia verbunden. Mal sehen, ob ich noch eines singen kann.«
Natürlich erinnerte sie sich
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