Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
Himmel, und einmal meinte Kitten sogar, einen Kauribaum zu erkennen – angeblich das wertvollste Holz Neuseelands. Die Möbel der Hemplemans waren daraus gezimmert gewesen.
Der Fluss floss breit und behäbig dahin, sicher war er auch schiffbar, was den schlechten Straßenzustand erklärte. Wahrscheinlich fuhr man eher mit Booten, wenn man von der Küste aus zu den Maori wollte. Kitten suchte sich eine Ausgangsposition, um sich fallen zu lassen, aber gerade, als sie tatsächlich abspringen wollte, wurde der Weg besser, und Carpenter ließ seine Pferde antraben. Er hatte es wohl eilig, im Maori-Dorf anzukommen, anscheinend dachte er gar nicht daran, vorher noch einmal zu übernachten.
Kitten verwarf die Idee, sich fallen zu lassen. Im Trab war das zu gefährlich, sie konnte verletzt werden. Und eigentlich wollte sie ja auch gar nicht zur Walfangstation. Sie seufzte und fand sich schließlich damit ab, sich einfach zum Maori-Lager mitnehmen zu lassen und da entdeckt zu werden. Das war gar nicht das Schlechteste. Carpenter würde sich zwar zweifellos aufregen, aber bestimmt konnte sie ihn davon überzeugen, sie wieder mitzunehmen, wenn er seine Geschäfte erledigt hatte. Er fuhr dann sicher in die nächstgrößere Siedlung, um den Warenvorrat wieder aufzufüllen. Wahrscheinlich würde er ein Entgelt für ihre Beförderung haben wollen – wenn es gar nicht anders ging, musste sie ihm zu Willen sein. In der Siedlung fand sich jedoch bestimmt eine erneute Fluchtmöglichkeit …
Kitten ergab sich ihrem Schicksal und spähte weiter hinaus auf den in der Sonne silbern schimmernden Fluss. Das Flussbett war steinig und zum Ufer hin flach, es gab Sandbänke, und oft schien der Wairau sich gar nicht entschließen zu können, wo entlang er fließen wollte. Die Folge waren vielfältige Verzweigungen.
»Sehr fischreiches Gewässer«, bemerkte Carpenter seinem Passagier gegenüber, der immer schweigsamer wurde, je tiefer sie in die Wildnis eindrangen. »Die Maori fangen Fische in Reusen – wenn sich gerade kein Missionar zum Grillen findet …« Kitten meinte, das Grinsen am Klang seiner Stimme zu erkennen. »Ansonsten kochen sie Wurzeln und andere Teile der Farne und bauen Süßkartoffeln an. Seit die Weißen da sind, auch gern Getreide, das kannten sie vorher nicht. Das Saatgut findet reißenden Absatz. Ach ja, sagte ich schon, dass Häuptling Te Rauparaha seinen Namen von einer essbaren Pflanze hat? Einer seiner Vorgänger, der an das Amt kam, indem er Te Rauparahas Vater besiegte und aufaß, drohte, auch den Sohn zu verspeisen – mit Rauparaha-Wurzeln als Beilage. Schmeckt aber auch zu Fisch …«
Carpenter amüsierte sich offensichtlich blendend, und Kitten hoffte, dass seine gute Laune anhalten würde, wenn er sie später entdeckte. Der Farnwald wurde jetzt lichter, und schließlich meinte Kitten, Anpflanzungen zu erkennen – Felder auf denen irgendetwas Krautartiges wuchs und Weizen. Das Lager musste jetzt nahe sein. Kitten ließ die Plane sinken. Besser, auf den Ausguck zu verzichten, als früher als nötig entdeckt zu werden.
Tatsächlich wurden die Wege jetzt ebener, und bald hörte sie Rufe und näher kommende Stimmen. Es waren Männer- und Frauenstimmen, und sie klangen freudig und wohlwollend. Carpenter schien hier bekannt zu sein.
Schließlich hielt der Wagen, und Begrüßungen wurden ausgetauscht. Carpenter radebrechte auf Maori, und Kitten verstand das zuvor schon erwähnte kia ora . Zumindest einer der Einheimischen erwiderte die Grüße jedoch auch auf Englisch.
»Gute Tag, Car-pin-ta!«, sagte eine dunkle, angenehme Männerstimme. »Wir dich gewartet viele Monde. Wir erfreut!«
Carpenter lachte. »Ich freu mich auch, Te Puaha!«, antwortete er. »Vor allem auf ein gutes Essen, hab seit Tagen nichts Frisches mehr in den Bauch gekriegt.«
Kitten konnte sich vorstellen, dass er den Reverend dabei vielsagend anblitzte – und seinen Appetit konnte sie sich auch erklären. Wo immer sie hier waren, die Menschen mussten mit der Vorbereitung einer Abendmahlzeit beschäftigt sein. Es roch vielversprechend nach gegrilltem Fisch.
»Und du mitgebracht jemand? Wer sein?« Der junge Mann, Te Puaha, fragte nach dem Missionar, und Reverend Morton schien sich langsam zu fangen.
»Mein Name ist Reverend Morton«, vernahm Kitten seine hohe Stimme, »und ich überbringe euch Gottes Gruß und Gottes Segen!«
Kitten erschrak, als es daraufhin zu alarmierenden Rufen und hämmernden Geräuschen kam. Sie erlaubte sich
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