Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
»Aber doch Karla«, erwiderte sie. »Oder Carol. Das wäre die englische Form. Und klingt das nicht sehr hübsch?«
Ida sah das Kind an, und vor ihren Augen erschien das Bild Karl Jenschs. Sie hatte noch genau im Ohr, wie er ihren Namen ausgesprochen hatte, als er anfing, Englisch zu lernen. Ein neuer Name für ein neues Land.
»Carol …«
Ida sagte den Namen leise vor sich hin, und zum ersten Mal, seit die Wehen eingesetzt hatten, lächelte sie.
KAPITEL 9
Ottfried Brandmann hatte sein erstes Kind noch nicht gesehen, als auch schon das zweite zur Welt kam. Cat spürte ihre Wehen in der Nacht, und natürlich war es ausgemacht gewesen, Ida aufzuwecken und um Hilfe zu bitten. Nach der Geburt der kleinen Carol hatte sie Mutter und Kind das große Bett im Schlafzimmer überlassen und sich selbst in der Küche eingerichtet. Ida erklärte ihr zwar, das sei nicht nötig. Sie könne weiterhin neben ihr schlafen, wie die beiden das immer hielten, solange Ottfried und Joe fort waren. Carol könne einfach in ihrem Körbchen schlafen. Cat fand diese Haltung jedoch befremdlich. Bei den Maori wäre nie jemand auf die Idee gekommen, Mutter und Kind in der Nacht zu trennen, und so bestand sie denn auch darauf, sich in die Küche zurückzuziehen. Ohne damit das gewünschte Ergebnis zu erzielen, wie sie am nächsten Morgen feststellte. Ida hatte das Kind in sein Körbchen gelegt. Das große Bett teilte sie mit Chasseur.
»Ich hab Angst, dass ich sie erdrücke«, behauptete sie.
Cat machte sich trotz dieser Erklärung Sorgen. Irgendetwas stimmte nicht zwischen Ida und ihrer Tochter. Sie hoffte nur, dass sich die Ressentiments nicht auch auf ihr eigenes Baby übertragen würden, wenn Ida es an Kindes statt annahm.
Und nun machte sie sich auch Gedanken bezüglich Idas Hilfe bei der Geburt. Idas eigenes Geburtserlebnis war gerade mal drei Tage her – ob sie ihr da wirklich zumuten konnte, das Ganze gleich noch einmal zu erleben? Cat wusste, dass ihr das eigentlich egal sein sollte. Sie würde Hilfe brauchen, keine Frau sollte während dieser Stunden allein sein. Andererseits sollte Ida wenigstens dieses Baby vorbehaltlos lieben können.
Cat beschloss also, die Entscheidung aufzuschieben. Sie stand mühsam auf, bereitete sich einen Tee, der laut Te Ronga die Geburt vorantreiben sollte, und sprach sogar die passenden Gebete zu den zuständigen Geistern – sie hatte das Gefühl, Te Ronga damit näherzukommen.
Schließlich ging sie herum, bis die Wehen zu stark wurden, zog sich dann aus und kniete auf dem festgetretenen Naturboden nieder, bevor sie beschloss, dass ihr mit getrocknetem Tussockgras gepolstertes Lager im Stall sich besser für die Geburt des Kindes eignete. Dort brauchte sie auch ihr Stöhnen und ihre Schreie nicht mehr zu unterdrücken, als die Schmerzen übermächtig wurden. Cat umklammerte einen Pfosten des Verschlags, in dem die Pferde standen, und lehnte den Rücken an einen anderen, wie die Ahnfrau Turakihau es die Frauen gelehrt hatte. Und schließlich meinte sie, benommen von Schmerzen, Te Rongas freundliche Stimme zu hören: Ko te tuku o Hineteiwaiwa … Ein karakia , ein Lied, das bei schweren Geburten helfen sollte. Cat versuchte, die Silben auszustoßen, statt zu schreien. Sie presste im Takt des Liedes und sprach zu ihrem Kind – bis es endlich ins Stroh glitt.
Cat hatte länger gebraucht als Ida, aber weniger gelitten – wenngleich sie nach all den Schmerzen grimmig überlegte, dass sie nie wieder eine Geburt als rauru nui , einfach und unkompliziert bezeichnen würde. Leicht war es ihr nicht gefallen, das kleine Wesen herauszupressen, das noch durch die Nabelschnur mit ihr verbunden im Stroh lag und unsichere Bewegungen mit Händchen und Beinchen machte.
»Du solltest mal schreien«, stöhnte Cat, nachdem sie die Nabelschnur durchtrennt hatte.
Sie richtete sich auf, hob das Kind geschickt an den Füßen hoch und klopfte ihm auf den Po, bis es laut brüllte. Erst jetzt nahm sie sich Zeit, es näher anzusehen, und strahlte vor Glück, als sie erkannte, dass auch sie eine Tochter geboren hatte.
»Deinem Vater wird’s nicht gefallen«, scherzte sie zärtlich und zog das Kind auf ihren Bauch, um gemeinsam mit ihm auszuruhen, bevor sie sich säuberte und sich etwas anzog. Der Herbst war empfindlich kalt in Purau. Auf ihrem Lager in der Küche würde es wesentlich angenehmer sein als hier im Stall. »Aber ich freue mich. Ich wollte eine Tochter!«
Cat stöhnte auf, als die Wehen erneut einsetzten.
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