Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
glaube ich. Mehr Freunde, die als Kinder miteinander gespielt haben.«
Harata blickte von Karl zu Ida und wieder zu Karl. Ihre Augen schienen seltsam hell. »Jetzt sind sie keine Kinder mehr«, meinte sie. »Was will der Mann? Er trägt eine Waffe, aber ich sehe keinen Wunsch nach Kampf in seinen Augen.«
»Was ist hier los?«, fragte Karl.
Er versuchte, sich nicht in Idas Blick zu verlieren, sondern die Männer im Auge zu behalten, die er immer noch mit der Waffe bedrohte, obwohl sie das nicht sehr ernst zu nehmen schienen. Die alte Frau jedenfalls nahm sich Zeit für einen Plausch mit der schönen blonden jungen Frau, in der er das Mädchen wiedererkannte, das damals in Wairau übersetzt hatte. Poti. Oder Cat, wie sie sich später nannte. Chris Fenroys Cat.
»Bedrohen dich diese Leute, Ida?«
Ida war zu keiner Stellungnahme fähig. Sie konnte Karl nur ansehen. Er war immer noch schlank, aber kräftiger als damals in Raben Steinfeld. Sicher hatte er in den letzten zwei Jahren nicht hungern müssen. Sein blondes lockiges Haar umspielte sein Gesicht. Er trug es halblang unter einem breitkrempigen Hut. Sein Bart hätte mal wieder gestutzt werden können. Ein kurzer Bart, der ihn männlicher wirken ließ. Die Lachfältchen und die blitzenden Augen, die sein Gesicht immer jungenhaft gemacht hatten, waren noch da. Und er musste viel draußen sein, sein Gesicht war gebräunt und wettergegerbt.
»Nein«, antwortete stattdessen Cat. »Niemand bedroht hier irgendjemanden. Sie missverstehen das. Bitte, Mr. Jensch – Sie sind doch Karl Jensch, oder? Bitte stecken Sie das Gewehr weg. Diese Leute haben mit Ottfried ein Hühnchen zu rupfen, aber gegen Ida und die Kinder haben sie nichts, und mir werden sie auch nichts tun. Machen Sie sich die Leute nicht zu Feinden, das könnte uns alle gefährden.«
Karl nickte und ließ die Waffe sofort sinken.
Als der Häuptling daraufhin drohend mit dem Speer auf den Boden schlug, steckte er das Gewehr endgültig weg, zeigte ihm in einer Geste der Kapitulation die Handflächen und versuchte, sich zu erinnern, wie man eine Entschuldigung auf Maori formulierte.
» Mo taku he. Es tut mir leid«, sagte er schließlich. » Kia ora . Ich wollte nur …«
Harata, die tohunga , sprach ein paar begütigende Worte zu Te Kahungunu. Der gab daraufhin eine Art Grunzen von sich.
»Harata meint, Sie haben Ida nur schützen wollen«, übersetzte Cat. »Der Häuptling ist trotzdem erzürnt.«
Karl überlegte kurz. Dann nahm er seinen wertvollen Wachsmantel, den er hinten am Sattel trug, stieg ab und legte ihn vor Te Kahungunu nieder, sehr vorsichtig, um ihm nicht zu nahe zu kommen. Auf der Nordinsel galten die ariki als unberührbar. Hier schien das nicht so streng gehandhabt zu werden, aber er wollte sich keinesfalls eines weiteren Fehlers schuldig machen.
»Bitte, Cat, sagen Sie ihnen, ich erbitte ihre Verzeihung, und wenn ich jemanden beleidigt haben sollte, so nehme er doch bitte dieses Geschenk als Wiedergutmachung an.«
Cat lächelte anerkennend. »Sie haben eben schon sehr schön selbst um Verzeihung gebeten. Das hier wird die Leute natürlich endgültig besänftigen.«
Sie sprach die Maori an, und sowohl Karl als auch Ida atmeten auf, als Te Kahungunu daraufhin nickte.
»Er will noch wissen, ob Sie Ottfried und Joe kennen«, übersetzte Cat die folgenden Worte des Häuptlings. »Und ob Sie ein Freund von ihnen sind.«
Karl hob abwehrend die Hände. »Hoa nohea« , radebrechte er auf Maori, was so viel wie »Freund nie« bedeutete. »Aber ich hab sie gestern noch in Port Cooper gesehen«, wandte er sich an Cat. »Und die Leute hier sind nicht die Einzigen, die ein Hühnchen mit ihnen zu rupfen haben. Da ist zum Beispiel ein Farmer, der sein Land anderweitig vergeben fand, als er in die Plains kam, ein Siedler, der wohl aus Versehen diverse tapu gebrochen hat und froh sein konnte, dass man ihn dafür nicht umbrachte. Ein geschniegelter Anwalt aus Wellington …«
»Ottfried steckt in Schwierigkeiten?«, fragte Ida nervös.
»Joe und O-tie in Te whaka raupo?«, fiel ihr der Häuptling ins Wort. »Ort, die pakeha jetzt nennen Port Cooper?«
Karl nickte. »In einem der dortigen Pubs, nehme ich an. Zumindest Ottfried. Gibson ist angeblich in Nelson.«
Te Kahungunu sagte etwas zu seinen Gefolgsleuten. Die schienen sich daraufhin zum Aufbruch bereitzumachen. Harata sagte etwas zu Cat und wandte sich dann ebenfalls zum Gehen.
Cat wirkte erleichtert, aber auch etwas zerknirscht, als sie
Weitere Kostenlose Bücher