Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
nicht mehr furchtsam allein im Haus, während sie selbst durch den Wald streifte, um Kräuter zu sammeln und auch mal den ein oder anderen Vogel zu fangen. Stattdessen nahm sie ihre Waffe und folgte ihr. Und auch ihr Verhältnis zu Carol schien sich geändert zu haben. Während sie früher bevorzugt Linda im Arm gehalten hatte, setzte sie sich jetzt ganz selbstverständlich die Trage auf und setzte Carol hinein. Das Kind begleitete sie so auf ihren Jagdausflügen und gewöhnte sich weit schneller als Cat und Chasseur an den Lärm der Waffe. Der Hund hatte sich immerhin von deren Nutzen überzeugen lassen, nachdem Ida begonnen hatte, die Hasen zu erlegen, die er aufscheuchte. Der Knall behagte ihm zwar nicht, tot waren die Kaninchen allerdings leichter zu fangen. Chasseur war als Jäger völlig untalentiert, Apportieren lag ihm deutlich mehr.
An diesem Tag nun lag bereits das zweite erlegte Kaninchen in der ledernen Jagdtasche, die Cat bei sich trug. Die Frauen wollten sich gerade zurück zum pa aufmachen, als Chasseur ein weiteres Mal bellte. Diesmal vor einem Gebüsch, das den Sträuchern, aus denen das Kaninchen gekommen war, gegenüberlag. Hier versteckten sich jedoch keine Tiere. Als Cat und Ida näher traten, hörten sie Stimmen.
»Maori«, sagte Cat überrascht und rief dann einen freundlichen Gruß in das Dickicht, in dem die Leute Deckung gesucht hatten.
» Kia ora. Haere mai. Keine Angst, wir haben nicht auf euch geschossen!«
Die Maori ließen sich daraufhin sehen und gaben sich beleidigt.
» Ariki Te Kahungunu ist nicht furchtsam!«, erklärte ihr Anführer mit fester Stimme. »Genauso wenig wie seine Krieger!«
Auf Ida wirkte der Mann seinerseits furchterregend, mit seinen das ganze Gesicht bedeckenden moko . Cat hatte ihr erklärt, dass die Maori die Tätowierungen so nannten. Auch seine traditionelle Kriegeraufmachung, zu der er obendrein ein schweres Beil, eine verzierte Nephritkeule und einen aufwendig gewebten Mantel trug, befremdete und ängstigte sie. Cat hingegen erkannte den Häuptling, der ihr und den Männern bei ihrer ersten Expedition gastlich Aufnahme gewährt hatte. Ebenso die kleine ältere Frau mit dem offenen, schon fast weißen Haar. Sie war jetzt westlich gekleidet, anscheinend ihr neuer Feststaat, aber schon die hei-tiki , die sie trug, ihr Schmuck aus Muscheln und ihr verzierter Mantel kennzeichneten sie als Würdenträgerin ihres Stammes. Die tohunga , die den Weißen damals die Stellen gezeigt hatte, die ihrem Volk heilig waren. Die beiden wurden von vier Kriegern begleitet, alle mit Speeren und Kriegskeulen bewaffnet – und mit Flinten. Cat schwante nichts Gutes, direkt Furcht empfand sie jedoch nicht.
»Das hat auch niemand angenommen!«, versicherte sie dem ariki jetzt würdevoll. »Te Kahungunu würde sich auch vor einem ganzen Stamm von Feinden nicht fürchten, und ebenso wenig seine Krieger und die tohunga Harata, mit der die Geister sind.«
Cat verbeugte sich ehrerbietig und trat vor, um mit der Stammesältesten den hongi zu tauschen. Spätestens jetzt mussten die Maori sehen, dass Linda in der Trage auf ihrem Rücken saß. Egal, ob sie sich zuvor gefürchtet hatten oder nicht, sie konnten nicht ernstlich glauben, dass zwei Frauen mit ihren Kindern auf dem Kriegspfad waren.
Die Stammesälteste sagte etwas.
»Kannst du vielleicht mal übersetzen?«, fragte Ida nervös.
Sie hielt immer noch die Waffe in der Hand und kämpfte gegen den Impuls, sie drohend auf die Maori zu richten. Aber sie ahnte, dass dies die falsche Reaktion gewesen wäre. Die Leute sahen gefährlich aus, machten jedoch keine Anstalten zum Angriff.
»Harata sagt, sie sei gekommen, weil die Geister erzürnt seien«, übersetzte Cat und wandte sich wieder an die tohunga .
»Das beunruhigt uns«, versicherte sie ihr. »Aber was können wir tun, um sie wieder gnädig zu stimmen? Kann es sein, dass meine Freundin sie mit ihrem Schuss erschreckt hat? Das war nicht unsere Absicht, wir wollten niemanden erschrecken oder bedrohen.« Sie hob ihre Hände und öffnete dann betont langsam die Jagdtasche. »Hier, wir haben nur die Tiere gejagt, welche die pakeha nach Aotearoa brachten und die es hier seitdem in so großer Zahl gibt wie Sterne am Himmel.«
»Ist es, weil wir das pa bewohnen?«, fragte Ida ängstlich. »Sind sie gekommen, um uns rauszuwerfen oder irgendwas zu fordern?«
Cat schüttelte den Kopf und gebot ihr Schweigen. »Die sind nicht wegen des pa hier. Das ist ein ganz anderer Stamm, die
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